Flüchtlinge: Was, wenn das Virus Moria erreicht?
Bisher wurde in den Hotspots auf den Ägäis-Inseln kein einziger Covid-19-Fall registriert. Auch für die Flüchtlinge gelten aber verschärfte Maßnahmen: Nur noch ein Familienmitglied darf Einkäufe erledigen. Zusätzlich sollen Gesundheitsstationen eingerichtet werden, die im Fall einer Infektion reagieren. NGOs fordern hingegen die Evakuierung der Camps - und Kommentatoren unterstützen sie.
Gesundheit nur für Griechen
Die Maßnahmen der Regierung in Athen sind unzureichend und das Leben der Geflüchteten in Gefahr, schimpft Efimerida ton Syntakton:
„Die griechische Regierung scheint offen die Doktrin der 'Gesundheit nur für Griechen' anzuwenden und lässt die Bevölkerung in den überfüllten Lagern ohne grundlegende sanitäre Ausstattung zurück. ... Die Regierungspolitik gegenüber Flüchtlingen verfolgt das Konzept der berüchtigten 'Herdenimmunität', wonach die am stärksten vom Tod bedrohten Personen aufgegeben werden und stärkere Organismen dominieren sollen. Darüber hinaus wurde Asylbewerbern seit dem Regierungswechsel der Zugang zum Gesundheitssystem verweigert, da die Karte, die angeblich die Sozialversicherungsnummer ersetzen sollte, nicht in die Praxis umgesetzt wurde.“
Auch hier Unmögliches möglich machen
Dass der hippokratische Eid offenbar nicht dafür gilt, den auf den Ägäis-Inseln Gestrandeten zu helfen, beklagt die Frankfurter Rundschau:
„[Es sind] noch immer Zehntausende Flüchtlinge bei minimaler medizinischer Versorgung in Zelten zusammengepfercht. Dem Virus werden sie hilflos ausgeliefert sein. Auf Lesbos wurde bereits ein Fall gemeldet. Alle Appelle, die Lager zu evakuieren oder wenigstens internationalen Standards anzupassen, sind verhallt, eine politische Lösung auf EU-Ebene weit entfernt. Doch wenn die vergangenen Tage eines gezeigt haben, dann, dass die Krise Dinge ermöglicht, die undenkbar schienen. Das muss auch für Lesbos und Co. gelten. Dem humanitären Argument sei eines hinzugefügt: Die medizinische Katastrophe, die sich dort abzeichnet, träfe ebenso die Griechinnen und Griechen.“
Lesbos droht zum Corona-Hotspot zu werden
In der aktuellen Krisensituation dürfen die Schutzsuchenden an der europäischen Peripherie nicht vergessen werden, mahnt Der Standard:
„Auf Lesbos ist es nur eine Frage der Zeit, bis das Coronavirus durch die zusammengepferchten, unter entsetzlichen hygienischen Umständen lebenden Lagerinsassen rast. Die griechischen Behörden haben eine Art Quarantäne verhängt - es dürfen auch keine Hilfsorganisationen hinein. Ärzte ohne Grenzen sagt, dass angesichts der Tatsache, dass es einen Wasserhahn für 1300 Personen gibt und dass sechs Personen in einem kleinen Plastikzelt schlafen, nicht einmal regelmäßiges Händewaschen oder gar 'social distancing' möglich ist. Lesbos droht ein neuer, schrecklicher Corona-Hotspot zu werden. Wenn Europa jetzt zu Recht mit Abermilliarden geflutet wird, müssten ein paar Millionen für das Herausholen von Kindern und für neue, kleinere, bessere Lager da sein.“
Wir dürfen auch jetzt nicht wegsehen
Die Coronakrise verschärft die Lage der Flüchtlinge enorm, warnt auch Der Nordschleswiger:
„[Der Virus] wird früher oder später auch die ... Lager an den europäischen Außengrenzen und in den Regionen rund um Europa, zum Beispiel in den Maghreb-Staaten, erreichen. Schon jetzt hat er dafür gesorgt, dass zahlreiche Hilfsprojekte eingestellt werden. ... Hoffen wir, dass der Virus vor diesen Lagern gestoppt wird. Dass es keine Menschenleben, kein 'Massensterben' erfordert, uns aufzuzeigen, dass wir als Teil der Weltgemeinschaft in der Verantwortung sind, endlich eine solidarische und nachhaltige europäische Flucht- und Migrationspolitik zu schaffen, die nicht auf dem Motto 'aus den Augen, aus dem Sinn' beruht. Egal, wo wir politisch stehen und wie sehr wir gerade um uns selbst besorgt sind: Wir dürfen hier jetzt nicht wegsehen.“
Epidemie in Syrien nur eine Frage der Zeit
Auch in dem kriegsgeschädigten Land, aus dem viele Menschen auf die Inseln geflüchtet sind, wird sich das Virus rasch ausbreiten können, fürchtet Keskisuomalainen:
„Das Gesundheitssystem der Region ist nach jahrelangen Kämpfen ohnehin schon am Zusammenbrechen, nun kommt das Coronavirus als weitere Bedrohung hinzu. Die WHO schätzt, dass nur die Hälfte der Gesundheitsdienstleistungen der Region funktioniert. Die Flüchtlinge sind nicht organisiert, sie haben keine Regierung, keine Behörden. Der Iran ist eines der schlimmsten Nester des Coronavirus, und er ist militärisch so stark in Syrien engagiert, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis das Coronavirus auch unter den Kriegsflüchtlingen ausbricht.“