Corona-Wiederaufbau: Sind gute Gespräche genug?
Der EU-Videogipfel zur konkreten Ausgestaltung des Corona-Wiederaufbaufonds der Union ist am Freitag ohne Ergebnis geendet. Dennoch zeigten sich die Teilnehmer zufrieden über die konstruktive Atmosphäre. Über die strittigen Punkte soll in den nächsten Wochen intensiv verhandelt werden, voraussichtlich auch wieder persönlich. Nicht alle Kommentatoren zeigen sich ähnlich geduldig.
Rückkehr zur Rationalität
Der Gipfel hat keinen Durchbruch gebracht, aber einen wichtigen Fortschritt, freut sich der Deutschlandfunk:
„Keiner der 27 Staats- und Regierungschefs hat heute sein Veto gegen das gigantische Finanzpaket angedroht, dessen Entwurf Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorschlägt. ... [T]rotz der Dimension dieser Summen argumentierten die Mitgliedstaaten heute nüchtern, rational, taktisch, kurz: durch und durch politisch. Das war vor wenigen Wochen noch ganz anders ... Zäh und verbissen wird jetzt um Kompromisse gerungen. Solange, bis jeder Regierungschef seinen Wählern sagen kann: Wir haben nicht schlecht abgeschnitten. Dieser Prozess muss jetzt zügig angegangen werden. Und er erfordert politische Führung. Da trifft es sich, dass Deutschland in zwei Wochen die Ratspräsidentschaft übernimmt.“
Frieden und Freiheit haben ihren Preis
Ein freies Europa darf auch etwas kosten, drängt Sydsvenskan auf eine Einigung:
„Gegenseitige Abhängigkeit als Grundlage für Frieden, das ist die EU. In einer Welt, die immer mehr autoritäre Staaten zählt, müssen die europäischen Staaten fest zusammenstehen. Sie müssen sich für die liberal-demokratische Weltordnung und für das Klima einsetzen. Allein ist keiner stark. Der Einsatz muss gemeinsam erfolgen. Die Zusammenarbeit hat einen hohen Preis. Aber es könnte sich als noch teurer erweisen, jetzt zu knausern.“
Einstimmigkeitsregel abschaffen!
Der Chefredakteur von La Stampa, Massimo Giannini, setzt seine Hoffnungen in Angela Merkel:
„Es liegt an ihr, den Widerstand [von Dänemark, Schweden, Österreich und den Niederlanden] zu beugen und sie zu zwingen, den Fonds weder quantitativ noch qualitativ abzuschwächen. Es liegt an ihr, das Nullsummenspiel von Vetos und Gegenvetos zu überwinden und die Union ein für alle Mal vor die einzige Reform zu stellen, die es Europa ermöglichen kann, seinen 'Hamilton-Moment' zu erleben (nach dem Gründervater, der die US-amerikanischen Staaten davon überzeugte, sich zur vereinigen und ihre Schulden zu vergemeinschaften): die Regel der Einstimmigkeit zu überwinden, die jede Entscheidung des Europäischen Rates lähmt. ... Die Kanzlerin hat eine einzigartige Chance: Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft, die am 1. Juli beginnt und die wichtigste der letzten zwanzig Jahre ist.“
Sparsame Vier können zufrieden sein
Die Vorbehalte der "sparsamen Vier" haben auf dem Videogipfel durchaus Widerhall gefunden, urteilt Jyllands-Posten:
„Es liegt unter denen, die sich mit der EU befassen, auch in Kopenhagen, derzeit im Trend, es so darzustellen, als hätten die sparsamen Vier - Niederlande, Schweden, Dänemark und Österreich - bereits eine Niederlage erlitten und täten nun alles, um das zu verdecken. Nicht viel deutet daraufhin, dass das richtig ist. Die EU-Kommission hat den ursprünglichen deutsch-französischen Vorschlag eines Hilfsfonds, der die Gelder einfach nur verteilt, durch eine andere Initiative ergänzt, nach der die Mittel als Kredit vergeben werden - ein klares Entgegenkommen gegenüber den Wünschen der Vier. Außerdem hat der Gipfel am Freitag auch den Willen zum Ausdruck gebracht, harte Kriterien für die Gewährung der Corona-Hilfe zu entwickeln.“