Streit um Geisterstadt auf Zypern
Der Premier der nicht-anerkannten Republik Nordzypern, Tatar, hat am Donnerstag den Strand von Varosha für Besucher öffnen lassen. Für die zyprische Regierung eine Provokation: Das einstige Urlaubsparadies ist eine Geisterstadt, seit die zyperngriechischen Bewohner im Zypernkonflikt 1974 vor den türkischen Truppen flohen. Im türkisch besetzten Teil der Insel wird am Sonntag ein neuer Präsident gewählt, Tatar tritt dabei gegen Amtsinhaber Akıncı an.
Wahlkampfmanöver dürfte nach hinten losgehen
Hürriyet Daily News kommentiert die Aktion mit Unverständnis:
„Das alles sind natürlich verzweifelte Last-Minute-Bemühungen [des nordzyprischen Premiers] Tatar, um die bevorstehende Präsidentschaftswahl zu gewinnen. Bisher scheinen nur ultranationalistische Gruppen und UBP-Anhänger [Tatars Partei] die Entscheidung zu unterstützen. ... Warum unternahm er so einen Schritt, der zu Hause zu Gegenreaktionen führen kann? ... Die letzten öffentlichen Meinungsumfragen zeigten bis zu 40 Prozent unentschlossene Wähler. Die neuesten Entwicklungen könnten für mehr Beteiligung bei den Präsidentschaftswahlen am Sonntag sorgen. Was für Tatar und seine Anhänger schlechte Nachrichten bedeuten könnte.“
Perle des Mittelmeers nicht dem Verfall preisgeben
Der Schritt war längst überfällig, betont der Journalist Cemal Akay in Kıbrıs:
„In den letzten 46 Jahren war die Stadt ein Zuhause für Schlangen, Tausendfüßler, Mäuse und alle Art von Schädlingen. ... Hat sie nicht ausreichend unter Vernachlässigung und Verrottung gelitten? Kann es gerecht sein, das einst als Perle des Mittelmeeres bekannte Maraş [türkische Bezeichnung für Varosha] geschlossen zu halten, seinem Schicksal zu überlassen und vom Dienst an der Menschheit fernzuhalten? Die Entscheidung, sie zu öffnen und instand zu setzen, kommt für uns sehr spät. Trotzdem applaudieren wir, getreu dem Sprichwort 'Lieber zu spät als gar nicht'.“
Nikosia hat zu lange geschlafen
Phileleftheros-Autor Aristos Michailidis weist auf die Fehler der zyprischen Regierung hin:
„Die Umsetzung der Resolution 550 des UN-Sicherheitsrates, in der die Türkei aufgefordert wird, Famagusta [die Stadt, zu der Varosha gehört] an die Vereinten Nationen zu übergeben, steht seit 1984 aus. Wann haben wir darauf bestanden, um voranzukommen? … Wann haben wir gesprochen, wann haben wir informiert, wann haben wir die Geisterstadt als den größten Wahnsinn der Besatzung dargestellt? Wann haben wir angesichts all der Irrationalität den gesunden Menschenverstand vorgebracht? Wann haben wir eine Strategie festgelegt? ... Wir haben uns an alles gewöhnt, wir haben es akzeptiert, und wenn wir vor vollendeten Tatsachen stehen, wissen wir nicht, wie wir reagieren sollen.“