Corona: Premier will alle Slowaken testen
Um die rapide wachsende Zahl von Corona-Infektionen in der Slowakei zu begrenzen, will Premier Igor Matovič die gesamte Bevölkerung ab zehn Jahren einem der neuen Antigen-Schnelltests unterziehen. Sollte er mit seinem Plan auf Widerstand stoßen, trete er zurück, drohte er. Eine sinnvolle Aktion?
Im Nachbarland hat man wenigstens einen Plan
Lob für seinen Plan für einen Massentest erntet Igor Matovič in Deník:
„Man kann Matovič eine Menge vorwerfen. Aber zumindest gibt er den Slowaken das Gefühl, dass die Regierung etwas unternimmt, damit die zweite Corona-Welle kein Tsunami wird, mit Tausenden Toten und einer zerstörten Wirtschaft. Die Regierung zeigt, dass sie immer noch die Initiative zur Bewältigung der zweiten Welle in ihren Händen hat. Im Gegensatz zu Matovič sieht Tschechiens Premier Babiš völlig ahnungslos aus. In einer Situation, in der jeder vierte Testteilnehmer positiv ist, ist im tschechischen Hotspot Uherské Hradiště ein umfassender Test geplant. Ehe dessen Ergebnisse ausgewertet sein werden, dürften wir alle Covid haben.“
Massentests kein Allheilmittel
Ein Riesenerfolg ist von einer landesweiten Corona-Testreihe nicht zu erwarten, meint Új Szó:
„Die Vorstellungen über die landesweite Testreihe weisen mehrere Schwachstellen auf: Die eine ist, dass der Antigentest viel unzuverlässiger ist als der PCR-Test. Auch der Regierungschef räumt ein, dass es schon ein gutes Ergebnis wäre, wenn man 30 Prozent der Infizierten und die meisten sogenannten Superspreader identifizieren könnte. ... Für die Regierung wird es nicht schwierig sein, das Testen des gesamten Landes als Erfolg darzustellen: Wenn man nur ein paar tausend asymptomatische Infizierte identifizieren kann, ist das schon ein gutes Ergebnis, mit dem man Zeit gewinnen kann. Den Kampf gegen die Pandemie gewinnen wir damit aber längst nicht.“
Eine Momentaufnahme bringt wenig
Dass Ungarn dem Vorschlag des slowakischen Premiers folgen könnte, hält Magyar Nemzet für unrealistisch:
„Es ist ganz offensichtlich, dass man zehn Millionen Menschen nicht innerhalb einer Woche testen kann. Und selbst wenn es ginge, brächte das nur ein falsches und gefährliches Sicherheitsgefühl hervor, da das Ergebnis nur eine Momentaufnahme wäre. … Das heißt, man müsste die landesweite Testreihe ungefähr jeden dritten Tag wiederholen, um ein kontinuierliches, realistisches Bild von der Durchseuchung zu bekommen. Bis März würde das 'nur' ein paar hundert Milliarden Forint kosten.“
Matovič führt das Land wie ein Firmenpatriarch
Pravda wirft dem Regierungschef zunehmend autoritäre Anwandlungen vor:
„Igor Matovič glaubt, dass die Slowakei seine Firma ist und er mit ihr machen kann, was er will. Diese Tendenzen des Premiers werden zunehmend zu einer Bedrohung für das Funktionieren unserer Demokratie. Es ist sicherlich angebracht, umfassende Antigentests zu einem Zeitpunkt in Betracht zu ziehen, an dem sich das Virus unkontrolliert und schnell verbreitet. Aber ist dies der einzige Weg, um die Ausbreitung zu verhindern? ... Der Premier hat keine andere Meinung in der Regierungskoalition zugelassen, sonst würde er zurücktreten. Dies ist Erpressung. Und zudem noch äußerst verantwortungslos, derart zu drohen, wenn das Land einen schwierigen Test durchläuft, den es noch nie erlebt hat.“
Massentests könnten hilfreich sein
Aktuality.sk sieht dagegen in den von Matovič geforderten Massentests eine Chance:
„Während des ganzen Sommers forderten wir zusammen mit anderen Medien Tests und Nachverfolgungen. Die haben uns in der ersten Welle der Pandemie geholfen. ... Wenn Premier Matovič umfassende Tests plant, sollten wir das daher begrüßen. Ein energischer Schritt dieser Art kann der Deus ex machina sein, der die Kurve der Infektionen und der Toten auf ein Minimum reduziert. ... Beim Plan von Matovič handelt es sich in erster Linie um eine politische Geste, um sehr viel härtere Maßnahmen zu vermeiden. Wenn landesweite Tests logistisch durchgeführt werden können, kann dies wirklich dazu beitragen, dass die Wirtschaft nicht heruntergefahren wird und die Menschen nicht zu Hause eingesperrt werden.“