Was tun gegen den Corona-Überdruss?
In vielen europäischen Ländern sind Geschäfte und Schulen schon wieder seit Wochen geschlossen, um die Zahl der Corona-Infektionen zu drücken; die Menschen sind zunehmend ermüdet. Gleichzeitig dämpfen der schleppende Impf-Forstschrittund neue Virusvarianten die Hoffnung auf baldige Besserung der Situation. Europas Presse erörtert, was jetzt noch helfen könnte.
Man kann nicht ununterbrochen weinen
Die ganze Welt dreht sich seit knapp einem Jahr um das Coronavirus, als gäbe es nichts anderes im Leben, schreibt Webcafé entnervt:
„So gefährlich, beängstigend und erbarmungslos das Leben auch sein mag - wir können es nicht so leben, als wäre es eine einzige Aneinanderreihung von Krankheiten und Gefahren. ... Selbst in den dunkelsten Momenten der Geschichte, zum Beispiel während der Kriege, fanden die Menschen ihre kleinen, intimen Räume, in denen sie sich vom endlosen Schmerz und der unerträglichen Angst abkapseln und lachen, Sex haben, miteinander reden konnten. Die europäischen Arthouse-Filme, in denen die Welt nur aus Dunkelheit besteht und eine depressive Frau mit schlaffen Brüsten ihr ganzes Leben lang unter der Dusche weint, sind nicht realistisch. Im realen Leben gibt es immer auch Licht.“
Schwarzseherei hilft niemandem
Im Kampf gegen Corona ist die Hoffnung auf ein besseres Morgen essentiell, meint The Guardian:
„Wenn jemand versucht, mit der gegenwärtigen Situation besser zurechtzukommen, indem er oder sie davon träumt, dass alles 'wieder so wie früher' wird, dann schadet das niemandem. Vielleicht erweisen sich diese Hoffnungen tatsächlich als naiv. Und wenn schon! Hoffnung tut uns gut. Sie stärkt unsere geistige und sogar körperliche Gesundheit. ... Es kommt der Punkt, an dem Schwarzseherei nicht nur ärgerlich, sondern auch unverantwortlich ist. Wir alle haben die individuelle Verantwortung, uns selbst und andere zu schützen. Keine Hoffnung auf ein besseres Morgen bedeutet eine geringere Motivation, die notwendigen Dinge zu tun, um uns alle dorthin zu bringen. Es ist viel einfacher, die Regeln zu befolgen, wenn wir sie als befristet betrachten.“
Lockerungen sind Balsam für die Seele
Nach Beendigung des harten Lockdowns in Österreich keimt wieder Leben auf, jubelt der Kurier:
„Es geht nicht mehr nur ums Zählen von positiven Tests, Krankenbetten oder sogar Toten. ... Endlich hat die Politik erkannt, dass die Folgeschäden ... ebenso im Fokus stehen müssen. Dass eine Pandemie mehr ist als nur eine Gesundheitskrise. Und dass es bei der Bekämpfung Abwägungen braucht. ... Die Überlastung in vielen Familien mit Schulkindern ist mittlerweile gewaltig. Von älteren Menschen hört man immer öfter, wie sehr sie vereinsamen und dass es eine Frage der Würde sei, Familienmitglieder zu treffen. Auch unter Berufstätigen und Studenten ist der Frustpegel enorm, von Arbeitslosen gar nicht zu sprechen. Was jetzt passiert, ist ein Hilfspaket für die Seele, ein psychischer Verlustersatz.“
Politiker müssen Vorbilder sein
Tschechiens Regierung darf sich über die Corona-Müdigkeit der Bevölkerung nicht wundern, bemerkt Hospodářské noviny:
„Die Regierung begreift nicht, dass die Leute zur Einhaltung der Restriktionen Vorbilder an den höchsten Stellen sehen wollen. Und die gibt es dort nicht. Auf der einen Seite fordert Gesundheitsminister Jan Blatný in einer Tour dazu auf, nicht zu verreisen. Und dann veröffentlicht Industrie- und Verkehrsminister Karel Havliček auf Twitter Bilder von einem Ausflug nach Südböhmen. Natürlich hat der Minister Anspruch darauf, auszuspannen. Aber die Regierung darf nicht unterschiedliche Maßstäbe an sich selbst und die restlichen zehn Millionen Bürger des Landes anlegen.“