Wie kann Europa schneller impfen?
Knapp zwei Monate nach ihrem Start kommen die Impfkampagnen in Europa nicht so schnell voran, wie von vielen gewünscht. Innerhalb der EU treffen die gemeinsam beschafften Lieferungen langsamer als erwartet ein, außerhalb der EU impfen einige Länder wie Großbritannien oder Serbien sehr zügig, andere wie die Ukraine hinken hinterher. Europas Presse diskutiert, was an der Organisation noch verbessert werden könnte.
Etwas mehr Flexibilität, bitte!
Eesti Päevaleht hat einige Vorschläge, wie das Impfen zügiger vorangehen könnte:
„Man sollte sich nicht allzu fest an die Prioritätenlisten klammern. Wenn Leute auf der Liste gerade nicht erreichbar sind, aber es genug Impfstoff gibt, sollten auch Normalbürger eingeladen werden. Neben Telefonanrufen sollten dafür auch digitale Lösungen parat stehen. Ebenso sollte man mutig nach Lösungen suchen, um mit dem vorhandenen Impfstoff mehr Leute immunisieren zu können. Diejenigen, die schon Corona überlebt haben, brauchen keine zweite Spritze. Es lohnt sich auch zu erwägen, den Vorrat der Zweitdosen aufzugeben. … Man könnte auch unsere künftigen Impfstoffanteile als Leihgabe anfragen. Zum Beispiel liegt eine Menge Astrazeneca-Impfstoff in Deutschland auf Lager, weil die Leute Angst davor haben.“
Britischer Plan kann nicht kopiert werden
Viele europäische Länder schielen derzeit neidisch nach Großbritannien, das mit seinem Impftempo wohl schon im Mai Herdenimmunität erreichen wird. Das kann die EU aufgrund länderübergreifender Regeln nicht nachmachen, erkennt Visão:
„Großbritannien hat einen Vorteil, den kein anderes europäisches Land bekommen kann. ... Portugal kann eine Herdenimmunität von 70 Prozent nur erreichen, wenn es das mit allen anderen Ländern der Union gemeinsam tut, wie es im gemeinsamen Mechanismus angenommen und vorgesehen ist. Mit anderen Worten, wir sprechen nicht nur über 14 Millionen Impfungen für uns, sondern auch über 600 Millionen Impfungen für 300 Millionen Einwohner der Union. Es ist sehr, sehr schwierig.“
Rumänien hat die bessere Strategie
In Rumänien wurde auch ohne russische und chinesische Impfstoffe bereits mehr geimpft als in Ungarn. Für Magyar Hang liegt das an der Impfstrategie:
„Diese scheint, wenigstens aus der Ferne gesehen, funktionsfähiger zu sein. ... Denn in Rumänien wurden die Pädagogen und die Arbeitnehmer der kritischen Infrastruktur in die zweite Prioritätsgruppe des Impfplans eingeordnet. Diese umfasst auch Briefträger, Polizisten, Angestellte des Energiesektors und aller Kommunalwerke, der Tankstellen und sogar die Servicekräfte der Restaurants, Cafés und Lebensmittelgeschäfte. Außerdem wurde die Registrierung und Organisation nicht [wie in Ungarn] auf die Hausärzte übertragen, sondern auf ein IT-System.“
Die effektivste Investition für den Tourismus
Die Türkei setzt fast nur auf den kostengünstigen Impfstoff des chinesischen Herstellers Sinovac. Das wird nicht reichen, meint Milliyet:
„Letztes Jahr sind die Tourismus-Einnahmen der Türkei um 65 Prozent zurückgegangen. ... Dieses Jahr wird mehr los sein als letztes Jahr, das ist sicher. Die Türkei sollte zuerst die EU-Reisebeschränkungen loswerden. Anschließend sollte sie die Impfrate ihrer Konkurrenten Spanien, Griechenland und Portugal erreichen. ... Corona-Impfungen sind nicht billig, manche kosten 18 Dollar pro Dosis. Die Türkei hat Impfstoff bisher viel billiger gekauft, aber wenn man eine Kostenrechnung anstellt, muss man auch die Milliarden Dollar vom Kuchen des Tourismus bedenken. ... Die mit dem Tourismus hereinkommenden Dollars können wir quasi als Gans, die für die Impfungen zu zahlenden Dollars als Huhn betrachten.“
Nur globale Immunität kann Covid besiegen
Ghana hat am Mittwoch als erster Staat Corona-Impfstoff über das UN-Programm Covax erhalten. Anlass für La Vanguardia, an die Notwendigkeit von Impfungen für alle zu erinnern:
„Programme wie Covax sind zu begrüßen. Erstens ist es inakzeptabel, dass sich die Ungleichheiten in der Pandemie erneut zeigen, indem man die Afrikaner im Regen stehen lässt. Alle Menschen haben dasselbe Recht auf Schutz vor Krankheit. Und zweitens betonen die Epidemiologen immer wieder, dass die kollektive Immunität global nur funktioniert, wenn man keine Teile der Erde beim Impfen auslässt - wo die Krankheit dann erhalten bliebe und von dort erneut in jene Länder exportiert würde, wo sie bereits eingedämmt wurde. Um eine Endemie zu verhindern, müssten binnen zwei Jahren 60 Prozent der Weltbevölkerung geimpft sein.“