Zehn Jahre Krieg in Syrien und kein Ende in Sicht
Was als Demonstrationen für einfache Reformen im Zuge des Arabischen Frühlings 2011 begann, endete in einer Katastrophe: Nach Zählungen von Aktivisten forderte der Krieg in Syrien mindestens 388.000 Tote, Millionen Menschen sind auf der Flucht, Zehntausende im Gefängnis oder verschwunden. Medien richten scharfe Vorwürfe an die externen Akteure in dem Konflikt.
Das Land war dem Westen nie wichtig genug
Bis zum Kriegseintritt Russlands im September 2015 hätte es viele Möglichkeiten gegeben, den Syrern militärisch zu Hilfe zu kommen, beklagt Nahost-Korrespondent Carsten Kühntopp auf tagesschau.de:
„Doch letztlich war Syrien dem Westen nie wichtig genug. Und so konnten sich die Staaten des Westens hinter dem Nein der Russen im Weltsicherheitsrat verstecken. Bis heute hat Putin seinen Klienten Assad mit mindestens 15 Vetos geschützt. Stets ließ man ihm das durchgehen, anstatt den Sicherheitsrat einfach zu ignorieren, im Interesse von Millionen Menschen in Syrien. Das Völkerrecht, die Spielregeln bei den UN, interessieren uns im Westen nur dann, wenn sie uns passen. Bei ihrer Irak-Invasion 2003 waren sie den USA egal. Hier das Völkerrecht, dort die Verantwortung zum Schutz einer Bevölkerung - ein echtes Dilemma ist das nicht.“
Ein gnadenlos genutzter Übungsplatz
Zu einem bitteren Schluss kommt auch Tygodnik Powszechny:
„Syrien ist für mehrere Länder (Russland, aber auch Iran und Türkei, die bislang noch unerfahren waren auf diesem Gebiet) zu einem Übungsplatz geworden, auf dem sie billig und gefahrlos Krieg führen und militärische und politische Erfahrungen sammeln können. … Sie behandeln den Krieg und das Chaos als natürlichen und dauerhaften Zustand. Der Krieg in Syrien hat gezeigt, wie die Regeln der Weltordnung geschwächt und umgangen werden können. ... Der Krieg in Syrien (ähnlich wie parallel stattfindende Konflikte, aber noch viel stärker als diese) ist der Triumph des Chaos über die Ordnung.“
Westliche Bestrafungspolitik
Die USA und die EU setzen weiter auf einen Sturz Assads durch Sanktionen, erklärt T24:
„Die USA setzen die Waffe wirtschaftlicher Sanktionen seit einiger Zeit verstärkt ein, um den Regimewechsel auszulösen, den sie so begehren. Und die Europäische Union, die sich auf bestimmten Ebenen an die Außenpolitik der USA dranhängt, ist nicht gerade zurückhaltender. Dass der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik Josep Borrell erst vergangene Woche offen ausgesprochen hat, dass 'die EU von Sanktionen gegenüber diesem Land nicht absehen wird, solange es zu keinem Regimewechsel kommt', ist ein Indikator dafür, dass die Bestrafungspolitik fortgeführt wird.“
Vom alten Syrien ist nur einer geblieben
Assad mag vielleicht nicht besiegt worden sein, doch er hat sein Land verloren, kommentiert Milliyet:
„Betrachten wir das Feld, auf dem der syrische Bürgerkrieg sein zehntes Jahr einläutet, haben wir ein höchst chaotisches Bild vor uns, das zersplittert ist in die Regionen jeweils östlich und westlich des Euphrat und in die, die vom Assad-Regime kontrolliert werden. ... Zusammengefasst ist in den vergangenen zehn Jahren in dem blutigen und tränenreichen Land Syrien politisch, sozial, wirtschaftlich, kulturell, wissenschaftlich - oder von welchem Aspekt auch immer aus betrachtet - jegliches Vermögen verloren gegangen. Vom alten Syrien ist nur eines zurückgeblieben, und das ist Assad.“
Schuldhafte Gleichgültigkeit
Die internationale Gemeinschaft hat teilnahmslos zugesehen, klagt La Stampa:
„Wir haben uns in dem falschen Gefühl gewogen, dass das Schlimmste überwunden und der Krieg in Syrien vorbei sei, uns getröstet, sicher, es war eine Katastrophe, aber was hätten wir schon tun können? Doch der Krieg fordert weiter Opfer. … Die Gefängnisse des Regimes sind voll, die Hälfte der Bevölkerung ist im In- oder Ausland auf der Flucht, 90 Prozent der Syrer sind arm und stehen für Brot an. ... Jeden Abend haben wir die Bilder der Toten in den Nachrichten gesehen und Jahr für Jahr haben wir zugesehen, wie sie immer mehr wurden, wie sie sich anhäuften wie Lumpensäcke. Ohne Mitleid. Und auch das ist ein Verbrechen.“
Assad Angebote machen
Anstatt weiter hilflos zuzusehen, sollten Europa und die USA wieder Initiativen entwickeln, fordert die Süddeutsche Zeitung:
„Sie könnten beginnen, dem Regime begrenzte, aber konkrete Angebote zu machen: Weizen etwa für die Aufklärung der Schicksale der Verschwundenen, Medikamente für die Freilassung von Gefangenen, während Sanktionen auf Rüstungsgüter und gegen regimenahe Mafiosi weiterbestehen. Ohne Frage wäre das ein heikles Unterfangen - bislang wusste Assad Hilfe aus dem Ausland so zu kanalisieren, dass sie letztlich vor allem ihm nutzte. Die Alternative ist jedoch, dass das Elend weitergeht, bis der Hunger jene dahingerafft hat, die den Krieg überlebten.“