Neustart nach Trump: Bidens China-Politik
US-Außenminister Blinken und Chinas Spitzendiplomat Yang haben sich auf ihrem ersten Treffen einen Schlagabtausch vor laufenden Kameras geliefert. Blinken warf Peking die Gefährdung der weltweiten Stabilität vor, Yang Washington die Einmischung in innere Angelegenheiten. Für Europas Presse hat die neue US-Administration ihren Kurs damit klar abgesteckt. Kommentatoren fragen, wie Europa darauf reagiert.
Prinzipientreuer Pragmatismus
Kooperation und Konkurrenz schließen sich nicht aus, analysiert Die Presse:
'„Joe Biden will zurück in die Zukunft: Die USA sollen wieder in die Hauptrolle als führende, berechenbare und verlässliche Supermacht schlüpfen. ... Bidens wichtigste geopolitische Regieanweisung lautet …, das aufstrebende Gegenmodell der Volksrepublik China in Schach zu halten. ... Müsste man der außenpolitischen Doktrin des neuen US-Präsidenten einen Namen geben, könnte sie so heißen: prinzipientreuer Pragmatismus. ... US-Außenminister Antony Blinken brachte es vor dem frostigen Treffen mit seinem chinesischen Amtskollegen, Wang Yi, auf den Punkt: 'Das Verhältnis der Vereinigten Staaten mit China wird konkurrierend sein, wenn nötig; kooperativ, wenn möglich; und feindselig, wenn es sein muss.“
Die USA können es sich leisten
Die USA sind das einzige Land, das derzeit klare Kante gegen China zeigt, meint die NZZ am Sonntag:
„Chinas wirtschaftliche Übermacht hat westliche Länder toleranter gemacht gegenüber Werte- und Menschenrechtsverletzungen. Kaum ein Land kann es sich leisten, sich mit Peking anzulegen. Die USA können es. Und sie tun es, seit sie gemerkt haben, dass China ihre Weltführerschaft infrage stellt. Dass die USA unter Joe Biden versuchen, Allianzen zu bilden und dort, wo es nötig ist, sich gegen China zu stellen, ist die wirksamste Art, das internationale System vor autokratischen Tendenzen zu bewahren.“
Jetzt die demokratische Front schließen
Als Chance für Europa nimmt De Volkskrant die Situation wahr:
„Biden sieht, dass China nicht nur zurückgedrängt werden muss, sondern dass auch Zusammenarbeit erforderlich ist. Außer übers Klima sprach man in Alaska auch über Nordkorea, Afghanistan und Iran. Für die Europäer, die in diesem Kraftfeld den Kurs zu verlieren drohen, bietet Bidens Strategie auch Chancen. Unter Trump im Weißen Haus schauten die Europäer mit beschlagenen Brillengläsern nach China. Diese Ausrede haben sie jetzt nicht mehr. Es klingt paradox. Aber das rhetorische Feuerwerk in Alaska kann der Anfang eines langjährigen Versuchs sein, eine geschlossenere demokratische Front zu bilden.“
Schluss mit dem Geschwätz
Jyllands-Posten begrüßt Washingtons Konfrontationskurs, glaubt aber nicht, dass Europa diesem uneingeschränkt folgen wird:
„Mehrere Länder sind schon im chinesischen Netz einer neuen Seidenstraße verfangen. Aus Kopenhagener Sicht ist es erfreulich, dass sich die USA als Führungsmacht zurückmelden im Kampf für eine Weltordnung, die sich auf Regeln gründet. Das ist dringend notwendig. Aber die starke Schulter zum Ausruhen gibt es nicht umsonst. Jeder Kampf erfordert Opfer, auch in den eigenen Reihen. Für Dänemark bedeutet dies, dass das nahezu grenzenlose Geschwätz und Verständnis für China aufhören muss, auch wenn das finanziell weh tut.“
Mit Gorilla-Taktik zur Deeskalation?
Lidové noviny bemüht einen Vergleich aus der Tierwelt:
„Beide Seiten wollen ihre unerschütterliche Haltung demonstrieren. Wie Gorillas, die sich auf die Brust klopfen und demonstrativ schreien, um ihre Kraft zu beweisen. Man sollte das amerikanisch-chinesische Verhältnis aber nicht nach scharfen Worten beurteilen, sondern sich darauf konzentrieren, was nicht passiert. Kommt es in Zukunft nicht zu einer Verschärfung des amerikanisch-chinesischen Handelskriegs und zu keiner bewaffneten Konfrontation um Taiwan, dann war die Gorilla-Taktik erfolgreich. Denn Gorillas demonstrieren durch ihr Auf-die-Brust klopfen und ihr Geschrei nicht nur Stärke, sondern bemühen sich dadurch auch, Kämpfe und Blutvergießen zu vermeiden.“