Ist die Zeit für harte Lockdowns gekommen?
Das paneuropäische Hin und Her bei den Corona-Maßnahmen geht weiter. Einige Länder - wie Frankreich - verschärfen angesichts der steigenden Infektionszahlen ihre Maßnahmen, andere zögern oder lockern sie sogar - wie Griechenland. Europas Presse sieht überwiegend nur noch einen Ausweg.
Entscheidung für das Leben ist die einzig richtige
Emmanuel Macron hat am Mittwoch eine dreiwöchige Schulschließung angeordnet. Das ist nicht genug, schreibt Patrick Bouet, Präsident des nationalen Ärzteverbands, in Libération:
„Angesichts der furchtbar ernsten Situation brauchen wir strengere Maßnahmen und einen wirklichen Lockdown in allen Regionen, wo dies notwendig ist. ... In wenigen Wochen wird die Epidemie mit mehr als 100.000 Toten das Äquivalent der Stadt Nancy von der Landkarte Frankreichs getilgt haben. Hinter den Zahlen verbergen sich Leben. Zerrüttete Leben, zerrüttete Familien, für immer begrabene Lebensläufe und Hoffnungen. ... Das Leben erträgt keine Willkür, kein Zögern, keine Sorglosigkeit mehr. Das Leben, jedes Leben, ist das, woran wir uns orientieren müssen. Die Entscheidung für das Leben ist die einzig mögliche, ethisch richtige Entscheidung.“
Quittung für die Planlosigkeit
Die Türkei hat mit 40.000 Neuinfektionen pro Tag einen bisherigen Höhepunkt erreicht. Die mangelnde Transparenz bei der Pandemiebekämpfung hat jetzt Konsequenzen, kommentiert Birgün:
„Niemand will einen Lockdown einführen, doch er drängt sich durch all die Toten und die Ausbreitung auf. Die Türkei hat zu keinem Zeitpunkt eine effiziente Lockdown-, Test- oder Präventionspolitik verfolgt. Eine Strategie fernab jeglicher Transparenz ist die Ursache für den Punkt, an dem wir jetzt stehen. ... Jetzt müssen wir die effizientesten uns zur Verfügung stehenden Methoden einsetzen. Und das bedeutet für die Türkei einen vorübergehenden kompletten Lockdown sowie finanzielle Hilfen, damit die Menschen weiterleben können. Nur so haben wir eine Chance.“
Ob es uns gefällt oder nicht
Obwohl in Kroatien noch nicht von einem weiteren Lockdown die Rede ist, scheinen härtere Maßnahmen nach Ostern unausweichlich, meint Novi list -
„und zwar ohne Rücksicht auf die anstehenden Lokalwahlen und darauf, dass kein Politiker, auch nicht die Regierung, unpopuläre neue Restriktionen vor den Wahlen einführen will. ... Im Vergleich zum Rest der EU-Mitgliedstaaten ist Kroatien mit seinen Maßnahmen unter den liberaleren, doch sollte sich die Inzidenz in der dritten Welle so entwickeln wie in der Gespanschaft Primorje-Gorski kotar, wird sich das Gesamtniveau der Restriktionen unausweichlich erhöhen müssen. Ob uns das gefällt oder nicht.“
Öffnung aus Verzweiflung
In Griechenland werden die Maßnahmen ab Montag trotz steigender Infektionszahlen gelockert, so öffnet unter anderem der Einzelhandel. Naftemporiki fragt sich:
„Warum wird dem Markt und der Bewegungsfreiheit dieser kleine 'Atemzug' gegeben, wenn die Fakten für das Gegenteil sprechen? Es klingt paradox, aber die Öffnungen sind das Ergebnis eines Scheiterns. Die Regierung und das Komitee für Infektionskrankheiten haben das Vertrauen in die Wirksamkeit der von ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen verloren. Und die Bürger haben das Vertrauen verloren, umzusetzen, wozu sie aufgefordert werden. Und alle bevorzugen die schrittweise Öffnung als einzigen Ausweg. ... Der Staat und die Bürger scheinen kapituliert zu haben. Leider sind verzweifelte Entscheidungen kein gutes Zeichen.“
Bürger suchen nur noch nach Freiheit
Warum uneinheitliche Restriktionen nur noch bedingt wirken, erklärt Dnevnik:
„Die Bürger sind nicht nur über die Schließung der Grenze, sondern wegen des gesamten Pakets der 'vollständigen Schließung zu Ostern' verärgert, das sich erneut als nebulöse Ansammlung von Maßnahmen entpuppt, deren Nutzen fraglich ist. Es ist nämlich niemandem klar, warum der 'Lockdown' in Slowenien die Schließung von Schulen und Kulturinstitutionen beinhaltet, aber Geschäftsessen und sogar die Vermietung von touristischen Einrichtungen zu Geschäftszwecken zulässig sind. … Der Fokus der Menschen liegt aufgrund all dieser unnötigen repressiven Maßnahmen nicht mehr auf der Begrenzung der Ausbreitung der Krankheit, sondern darauf, alle möglichen Wege in die Freiheit zu finden.“