Wie weiter im Fischereistreit Paris-London?
Im Streit zwischen Frankreich und Großbritannien um Fischerei-Lizenzen nach dem Brexit haben sich beide Seiten auf weitere Gespräche geeinigt. Eine Einigung ist dennoch nicht in Sicht. Kommentatoren warnen vor einer Eskalation und denken über internationale Vermittler nach.
Ein Sanktions-Krieg würde allen schaden
Eine Eskalation des Streits brächte nur Nachteile, stellt La Vanguardia fest:
„Die Briten kündigten juristische Schritte an und versicherten gleichzeitig, die Kontrollen aller europäischen Fischerboote zu verstärken. Diese Maßnahmen könnten auch die spanischen betreffen. ... Spannungen helfen keiner der beiden Seiten und könnten den Fischerei-Flotten beider Länder schaden. Es wäre daher wünschenswert, dass sie so bald wie möglich eine Einigung erzielen und eine Eskalation der wechselseitigen Sanktionen vermeiden.“
USA müssen vermitteln
Ein Eingreifen Washingtons, um die für den Westen so wichtige französisch-britische Beziehung zu kitten, wünscht sich Financial Times:
„In Asien haben die USA versucht, zwischen Tokio und Seoul Brücken zu bauen. Es könnte jetzt an der Zeit sein, dass Washington die gleiche Rolle zwischen London und Paris übernimmt. Es liegt an den US-Amerikanern, falsche Einschätzungen beiderseits des Ärmelkanals beim Namen zu nennen und zu entkräften. Die Briten müssen verstehen, dass die USA die EU als einen extrem wichtigen Partner sehen und Brüssel nicht zugunsten der 'Anglosphäre' düpieren werden. Die Franzosen wiederum müssen akzeptieren, dass die USA auf ein erfolgreiches Brexit-Großbritannien angewiesen sind und das Königreich nicht als Schurkenstaat behandeln werden.“
Fangquoten funktionieren ziemlich gut
Der aktuelle Streit zeigt auch, wie gut Europa die Fischressourcen unter Kontrolle hat, stellt L'Opinion fest:
„Ein Krieg um ein paar Dutzend Fischtrawler? In jedem Fall zeigt er, dass die Fischerei ein gutes Beispiel dafür ist, wie die Menschheit recht erfolgreich über eine gefährdete Ressource wacht. ... Wie bei vielen anderen Themen ist Europa einen Schritt voraus, was die Fischereiquoten betrifft, die jedes Jahr unter Einbezug von Experten zum Schutz der Meeresbewohner ausgehandelt werden. Allerdings macht der Musterschüler Europa nur einen kleinen Teil der weltweiten Fischerei aus: In Europa gibt es 400.000 Fischer, in Asien dagegen 50 Millionen.“
Einer reifen Demokratie unwürdig
Die französische Reaktion auf den Streit ist unverhältnismäßig, findet The Times:
„Britische Minister haben sich sicherlich auch populistischen Verhaltens schuldig gemacht, aber sechs Monate vor der Präsidentschaftswahl kommen die gemeingefährlichen Aussagen aus Frankreich. Die Mitglieder von Präsident Macrons Kabinett wetteifern darum, sich gegenseitig mit Denunziationen Großbritanniens zu übertreffen. Die Beschimpfungen stehen in keinem Verhältnis zum Problem. Die französischen Behörden haben gedroht, dass die Stromversorgung der Inseln im Ärmelkanal unterbrochen oder bestenfalls die Preise erhöht werden könnten. ... Solch Putineskes Verhalten ziemt sich für eine reife Demokratie nicht.“
Britischer Wortbruch
Verständnis für die französische Frustration zeigt The Irish Times:
„Fischfang war die letzte in einer Reihe schwieriger Schlachten, die im Zuge des Handels- und Kooperationsabkommens ausgefochten wurde. Man fand einen umstrittenen Kompromiss, der die Souveränität des Vereinigten Königreichs über seine Gewässer anerkennt und gleichzeitig dessen Bereitschaft signalisiert, die EU-Fischereirechte im Austausch für den Zugang zu EU-Märkten für britische Anlandungen zu garantieren. Die britische Lizenzvergabe für französische Schiffe hat jedoch aus französischer Sicht dazu geführt, dass die Nachweise der historischen Fischerei unnötig erschwert werden. Weniger als ein Drittel der von Franzosen beantragten Lizenzen wurden erteilt.“
Nur Geplänkel
Warum sich die Parteien schnell einigen könnten, erläutert La Stampa:
„Sowohl London als auch Paris zeigen die Zähne, in beiden Ländern haben die Regierenden ihre Wählerschaft im Blick. Letztendlich haben jedoch beide Seiten ein Interesse an einer Lösung des Problems: Die britischen Fischer wollen den Zugang zum europäischen Markt behalten, wo der Großteil ihrer Fänge landet, und die Franzosen wollen weiterhin in den fischreichen Gewässern des Ärmelkanals tätig sein. Und der Streit mit den Franzosen ist nur eines der Probleme, die London nach dem Brexit zu schaffen machen. Das Problem des Nordirland-Protokolls ist weitaus größer und birgt weitaus größere Risiken.“
Alte Freunde sollten sich besinnen
Die Essayisten James Noyes und Adrian Pabst betonen in Marianne, wie zentral gute Beziehungen zwischen Paris und London für die westliche Welt sind:
„Leere Worte über das 'Global Britain' und den 'französischen Exzeptionalismus' tragen nicht zur Bewältigung der existenziellen Herausforderung bei, vor der der Westen steht. Selbiges gilt für politische Auseinandersetzungen über alltägliche Probleme wie Impfstoffe oder Fischereirechte. Großbritannien und Frankreich müssen die Gelegenheit ergreifen und ihr altes Bündnis zu einer neuen Union ausbauen, die sich gemeinsamen Werten verschreibt. ... Unter britisch-französischer Führung wird sich der westliche 'Commonwealth' wieder als Schicksalsgemeinschaft fühlen, die auf Vertrauen und Zusammenarbeit beruht.“