Was hat Macrons Besuch in Moskau gebracht?
Sechs Stunden lang haben sich Russlands Präsident Putin und sein französischer Amtskollege Macron bei dessen Besuch in Moskau am Montag zur Ukraine-Krise beraten. Obwohl keine konkreten Ergebnisse erzielt wurden, bezeichnete Putin das Gespräch im Nachhinein als nützlich. Macron sagte, er habe viele Unstimmigkeiten festgestellt, aber auch etwas Übereinstimmung. Europas Presse zeigt sich unbeeindruckt.
Psychologie löst das Problem nicht
Das Engagement von Macron ist löblich, fußt aber auf einer Fehleinschätzung, wirft La Repubblica ein:
„Macron glaubt - wie er im Interview mit Le Journal du Dimanche verlauten ließ - er sei der einzige, der die gegenwärtigen 'Traumata' der 'großen russischen Nation' verstanden habe. Nun sind diese Traumata in Wahrheit aber eher offensichtlich, nämlich den Kalten Krieg und damit die alte Einflusssphäre im ehemaligen sowjetischen Raum verloren zu haben. Was nicht klar ist, ist die Lösung: Wenn Russland, wie alle Länder, legitime Sicherheitsinteressen hat, wie können diese Interessen anerkannt werden, ohne der Erpressung durch Gewaltanwendung nachzugeben und ohne wesentliche Grundsätze wie die Integrität und Souveränität der Staaten, die zwischen Russland und Europa liegen, zu opfern?“
Inszenierung als Kriegsverhinderer
Ria Nowosti empfindet Macrons Auftritt im Kreml als reines Wahlkampfmanöver:
„Macron flog nach Moskau in dem Moment, in dem die Kampagne wegen der 'bevorstehenden russischen Invasion der Ukraine' das höchste Irrsinns-Stadium erreichte. Der französische Präsident glaubt zwar nicht, dass russische Panzer schon so gut wie nach Kiew rollen. Und nicht etwa, weil er in den letzten Tagen dreimal mit Putin telefoniert hat. Es macht für ihn einfach keinen Sinn, sich dem Spektakel der Angelsachsen anzuschließen. Aber Nutzen aus der entstandenen Lage ziehen, für Frankreich wie für sich selbst - dagegen hat er nichts. In zwei Monaten sind Präsidenschaftswahlen - und eine erfolgreiche Moskau-Reise und jedwede Bemühung zur Verhinderung von 'Krieg in Europa' hilft Macron bei der Wiederwahl.“
Auftritt kann auch schiefgehen
Auch De Telegraaf sieht den Besuch von Wahlkampfkalkül gefärbt:
„Dass Macron bei Putin am Tisch sitzt, kann ihm mit Blick auf eine Wiederwahl im April nützlich sein: Während seine Herausforderer nur vor ein paar Tausenden in Sälen stehen, kann er zeigen, dass er eine wichtige Rolle spielt auf der internationalen Bühne. Aber wenn die Vermittlungsbemühungen scheitern, dann wird er das den Rest des Wahlkampfes zu spüren bekommen. Der unvorhersehbare Putin weiß auch sehr gut, dass er damit die Wahl beeinflussen kann. Es ist also möglich, dass das französische Staatsoberhaupt vor allem auf Verzögerung abzielt: In jedem Fall Ruhe bewahren, bis die zweite Runde am 24. April vorbei ist.“