Russland greift die Ukraine an
Das russische Militär hat in der Nacht auf Donnerstag die Ukraine angegriffen. Raketen schlugen in der Hauptstadt Kyjiw und weiteren Städten ein. Bodentruppen rückten an mehreren Fronten auf ukrainisches Gebiet vor. Putin warnte auch andere Staaten davor, sich Russland in den Weg zu stellen. Europas Presse ist entsetzt und fordert Konsequenzen.
Ich schäme mich für meinen Präsidenten
Echo Moskwy veröffentlicht Statements von russischen Journalisten, die über Putins Vorgehen entsetzt sind. So schreibt der Filmkritiker Anton Dolin:
„Heute Nacht ist das schlimmste und beschämendste Ereignis meines Lebens passiert. Der Präsident meines Landes hat der Ukraine den Krieg erklärt. ... Ich habe nie für ihn gestimmt, dennoch schäme ich mich grenzenlos und mir ist schlecht. Liebe Ukrainer, ich weiß, dass niemand von Euch jetzt auf solche einzelnen Stimmen achtet, aber alle meine Gedanken sind bei Euch. ... Wohl erstmals in meinem Leben bin ich dermaßen bestürzt und ratlos angesichts der Schwärze des Bösen, in dessen Epizentrum wir alle uns gerade befinden. Und es ist ungewiss, auf was oder wen man hoffen kann. Ich schreibe nicht 'verzeiht'. So etwas ist unverzeihlich.“
Flaggen auf Facebook halten keine Kugeln auf
Fakti.bg blickt in eine düstere Zukunft:
„Wir werden uns auf die Schulter klopfen und sagen, dass wir alle diplomatischen Mittel eingesetzt haben. ... Doch die Ukraine ist jetzt allein. So wie die Tschechoslowakei 1938 allein war und Polen 1939 allein war. Wir werden die Ukraine-Flagge auf unsere Profilfotos setzen. Doch Flaggen auf Facebook halten Gewehrkugeln nicht auf und bringen getötete Kinder nicht zurück. Vor unseren Augen wird sich eine Tragödie abspielen. Sie wird Wochen oder Monate andauern und danach abklingen. … Auf lange Sicht entsteht an der Nordküste des Schwarzen Meeres, weniger als 600 Kilometer von uns entfernt, ein Geschwür im Körper Europas, ein Pulverfass. Und eines Tages wird dieses Pulverfass explodieren.“
Die Weltordnung steht auf dem Spiel
Der Angriff stellt für Sme eine Zäsur dar:
„Wie sich die Situation auch entwickeln mag, eines ist klar: Die Infragestellung des Grundkonsenses der Weltordnung des 21. Jahrhunderts, also die Unzulässigkeit gewaltsamer Veränderungen staatlicher Grenzen, darf nicht unbeantwortet bleiben. Allein schon deshalb nicht, damit sich nicht auch andere Autokraten auf die Politik von Einflusssphären rückbesinnen. Das gilt unabhängig davon, ob die Russen nach Kyjiw ziehen oder 'nur' an die von den Separatisten gezogenen Grenzen von Donezk und Luhansk.“
Putin vor Gericht stellen
Nun muss es echte internationale Konsequenzen für den Angreiferstaat geben, fordert die Verteidigungs-Expertin Karin Kaup-Lapõnin in Eesti Päevaleht:
„Estland muss fordern, dass die Mitgliedschaft Russlands im UN-Sicherheitsrat ausgesetzt wird, solange Russland sich nicht an die UN-Charta hält. Ein Aggressor-Staat, der ganz Europa bedroht und seit 30 Jahren Gebiete anderer Länder annektiert, hat keinen Platz in der höchsten Institution zum Schutz des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit. Es ist Zeit, Putin vor den Internationalen Strafgerichtshof zu stellen und die Sanktionen gegen Russland zu erweitern. Auch Estland muss bereit sein, mit Manneskraft die Ukraine zu unterstützen.“
Ukrainer wissen, was Freiheit ist
Für Putin geht es diesmal um mehr als bei früheren Kriegszügen, betont Ilta-Sanomat:
„Bisher hat Putin noch nie eins auf die Schnauze bekommen, wenn er in den Krieg gezogen ist. Tschetschenien, Georgien, Ostukraine, Syrien - all dies waren mehr oder weniger Erfolge. … Das ist aber keine Garantie für Siege in der Zukunft. Auch wenn Russland die Ukraine niederwalzt, so steht ihr doch ein Volk mit 40 Millionen Einwohnern gegenüber, das in den Genuss von Freiheit gekommen ist. Die Ukraine zu beherrschen, könnte unmöglich sein. Wie weit Putin gehen wird, bleibt abzuwarten. Sicher ist jedoch, dass die Wahrscheinlichkeit, sich diesmal die Nase zu brechen, um ein Vielfaches höher ist. ... Das Risiko ist enorm, denn es geht um das, was zu dieser Situation geführt hat, nämlich um Putins eigene Macht.“
Nato wird stärker
Wenn Putin darauf abzielt, die Präsenz der Nato an der Ostflanke Europas zu verringern, erreicht er nun genau das Gegenteil, stellt La Repubblica klar:
„In diesem Szenario gewinnt Moskau die Kontrolle über einen Teil der Ukraine zurück, wo die heiße Front des neuen 'Kalten Krieges' verläuft, und vielleicht gelingt es ihm, auch in Kyjiw eine Regierung unter seiner Kontrolle einzusetzen, wie es in Minsk geschehen ist. Es sieht sich jedoch mit einer gestärkten Nato konfrontiert, die sich darauf vorbereitet, Schweden (vielleicht) und Finnland in ihre Reihen aufzunehmen. Wenn es Putins Ziel war, Amerika aus Europa herauszuhalten und die Nato zu schwächen, ist sein Schritt ein Fehler.“