Waffen für Kyjiw: Deutschland zögert weiter
Während sich im Osten der Ukraine die Lage dramatisch zuspitzt, hat Bundeskanzler Scholz verstärkt finanzielle Unterstützung versprochen, nicht aber die von Kyjiw geforderten schweren Waffen. Er sieht wie auch einige deutsche Pressestimmen die Gefahr, dass Deutschland durch Waffenlieferungen zur weiteren Eskalation beitragen könnte. Europas Presse findet Berlin überwiegend viel zu zögerlich.
Scholz ist zu vorsichtig
Deutschland sollte endlich seiner europäischen Führungsrolle gerecht werden, findet The Observer:
„Es besteht kein Zweifel daran, dass die 30 Jahre nach 1991, in denen Deutschland dank billiger Energie gedeihen konnte, während seine Diplomaten nett zu Putin waren, vorbei sind. Sicher ist auch, dass Deutschland gerade ein böses geopolitisches Erwachen erlebt. Berlin kann sich seiner weitreichenden Führungsverantwortung, insbesondere in Sachen europäische Sicherheit, nicht länger entziehen. Auf diese Fragen angesprochen, sagte Scholz vergangene Woche, dass seine größte Sorge ein Atomkrieg mit Russland sei. ... Das ist überaus vernünftig. Aber man kann auch zu vorsichtig und zu eigennützig sein - und Scholz ist weit davon entfernt, hier die richtige Balance zu finden.“
Führungsrolle adé
Der Deutschlandfunk stellt der aktuellen deutschen Außenpolitik ein ernüchterndes Zeugnis aus:
„Deutschland ist dabei, seinen Anspruch auf eine politische Führungsrolle in Europa zu verlieren. Oder hat sie schon verloren. Es scheint, Berlin ist wieder hauptsächlich damit beschäftigt, Putin nicht zu sehr zu verärgern, sodass aus dem Blick gerät, worum es derzeit geht: Nämlich der Ukraine eine möglichst gute Ausgangsposition für den späteren 'Frieden' zu verschaffen – wenn man den dann so nennen kann. ... Es entscheidet sich während dieses Krieges, wer nach diesem Krieg in Europa Vertrauen genießen wird. ... Was könnte Deutschland da für sich vorbringen? Derzeit nichts. Und das ist keine gute Nachricht.“
Kampf der Ukrainer muss unterstützt werden
Deutschland sollte seine Zurückhaltung aufgeben, meint das Tageblatt:
„Im Dezember 2002 hat der damalige deutsche SPD-Verteidigungsminister Peter Struck den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan mit dem Satz begründet: 'Die Sicherheit der BRD wird auch am Hindukusch verteidigt.' Derzeit wird die Sicherheit Deutschlands, aber auch jene der baltischen Länder, Polens und aller anderen EU-Staaten in der Ukraine verteidigt. Das gilt, darüber besteht Einigkeit, ebenso für unsere demokratischen, freiheitlichen politischen Systeme, die dem russischen Präsidenten ein Dorn im Auge sind. Diesen Kampf führen einzig und allein die Ukrainer. Sie sollten daher die Unterstützung erhalten, die sie dafür brauchen.“
Jedes Druckmittel nutzen
Putins Androhung einer Reaktion sollte den Westen nicht beeindrucken, findet die Frankfurter Allgemeine Zeitung:
„Seine Armee steckt in der Ukraine fest, eine Ausweitung des Krieges nach Westen dürfte ihn überfordern. Aber selbst wenn man dieses Risiko ernst nimmt, lassen sich die Waffenlieferungen als Druckmittel gegen Russland einsetzen. Wenn Putin keine schweren Waffen aus dem Westen in der Ukraine sehen will, dann sollte man dafür Zugeständnisse von ihm verlangen: eine Waffenruhe etwa und Verhandlungen über einen Abzug. Wenn der Westen, allen voran Washington, wirklich möchte, dass Putin diesen Krieg nicht gewinnt, dann muss man solche Hebel jetzt nutzen.“