Ukrainekrieg: Welche Friedensstrategien?
Fast drei Monate ist es nun her, dass Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine gestartet hat. Bisher musste sich die Ukraine auch dank westlicher Unterstützung zwar nicht geschlagen geben, konnte aber auch nicht die Oberhand gegen Putins Truppen gewinnen. Kommentatoren sind unzufrieden mit Europas Antwort auf den Krieg.
Immer noch nichts gelernt
Die Führer der stärksten EU-Staaten tanzen offensichtlich auf zwei Hochzeiten, kritisiert Gość Niedzielny:
„Einerseits verurteilen sie offiziell die russische Aggression, andererseits scheint ihnen die immer realere Aussicht auf einen ukrainischen Sieg Angst zu machen. ... Der Druck, den die Länder, die Kyjiw [eigentlich] unterstützen, auf die Ukraine ausüben, um sie zum Nachgeben gegenüber dem Aggressor zu bewegen, muss nicht nur die Ukrainer ernsthaft beunruhigen: Er zeigt, dass weder Paris, Berlin noch Rom aus ihren Fehlern gelernt haben und Russland immer noch nicht verstehen. ... Für Russland wird selbst der kleinste Gewinn in diesem Krieg ein Argument dafür sein, dass es sich lohnt, einen weiteren Krieg zu beginnen.“
Lauter unklare Haltungen
L'Opinion fragt sich, wie Europa zu einem von Russland diktierten Frieden stehen würde:
„Was ist, wenn Moskau nach diversen Drohungen anbietet, damit aufzuhören, unter der Bedingung, dass Russland einen wesentlichen Teil des ukrainischen Territoriums behält? Wird es Europäer geben, die ja sagen und damit die Ukrainer und wahrscheinlich auch einige andere verzweifeln lassen – für den 'Frieden' oder für die Energieversorgung, aber mit einer gefährlichen Präferenz für vollendete Tatsachen? Eine weitere Unsicherheit ergibt sich aus der russischen Haltung selbst. ... Wird der Kreml, wenn er nur mit einem blauen Auge davonkommt, noch verhandeln wollen?“
EU sollte ausweglosen Ansatz aufgeben
Der Politikprofessor Panagiotis Ioakeimidis schreibt in To Vima:
„Die Frage ist: Wird die Menschheit schlafwandelnd in den Dritten Weltkrieg oder einen langwierigen Konflikt in Europa eintreten? Da die politische Landschaft mit der Wiederwahl Macrons zum Präsidenten Frankreichs klarer geworden ist, sollte Europa, oder vielmehr die Europäische Union nun ihre Gesamtstrategie überdenken. ... Denn derzeit scheint sie eher einen ausweglosen Ansatz zu haben, ohne dass ein konkretes, ausgefeiltes europäisches Ziel erreicht werden soll. Wahrscheinlich folgt sie der Strategie von Präsident Joe Biden. ... Der Ausgangspunkt für diese Überlegungen kann nur die Annahme sein, dass die Union von ihrer Konzeption, ihrer Entstehung und ihrer Teleologie her in erster Linie eine friedensstiftende Kraft ist.“
Macrons schäbiges Appeasement
Visão kritisiert die zweifelhafte Wirkung des französischen Präsidenten:
„Macron versucht, für Putin einen Ausweg zu finden, der diesen nicht demütigt - aber auf Kosten der Ukraine, die eventuell territoriale Zugeständnisse machen muss… Indem er Putin und seiner Bande aus der Patsche hilft, schwächt Macron die Position seines Landes in Europa und der Nato. Macron hat sich dadurch ausgezeichnet, dass er versucht hat, einen Krieg zu vermeiden, kontinuierlich Druck auf Putin auszuüben und den Ukrainern militärisch zu helfen, aber er war in keinem der Fälle ein entscheidender Faktor. Putin hat mit ihm gespielt, ihn offenkundig belogen, und jetzt will Macron, dass Putin sich Kriegsbeute holt, die ihm nicht gehört. Macron spielt die Rolle Chamberlains gegenüber Hitler.“
Dialog mit Russland essentiell für die Zukunft
Der Politologe Charles A. Kupchan mahnt in La Stampa:
„Selbst wenn sich ein neuer Kalter Krieg anbahnt, wird der Dialog noch wichtiger sein, als früher. In einer stärker voneinander abhängigen und globalisierten Welt wird der Westen zumindest ein gewisses Maß an pragmatischer Zusammenarbeit mit Moskau benötigen, um gemeinsame Herausforderungen zu bewältigen, wie etwa die Rüstungskontrolle, die Eindämmung des Klimawandels, die Verwaltung der Cybersphäre und die Förderung der globalen Gesundheit. Zu diesem Zweck ist eine rasche Beendigung des Krieges durch einen Waffenstillstand und eine Verhandlungslösung bei weitem besser als ein Krieg, der sich in die Länge zieht, oder ein neuer eingefrorener Konflikt, der in einer feindlichen Pattsituation endet.“