Ist das Weltwirtschaftsforum in Davos überholt?
Nach zwei Jahren Corona-Pause tagt das Weltwirtschaftsforum (WEF) wieder ganz real in Davos. Doch die globalisierte Alpen-Idylle ist nicht mehr, was sie einmal war: Chinas Präsenz ist wegen der dortigen Covid-19-Krise minimal, Russland aufgrund seines Kriegs gegen die Ukraine ausgeschlossen. Weltfrieden wie Welthandel wurden von der Realität eingeholt, schreiben Kommentatoren.
Die Unbeschwertheit ist vorbei
Für das Handelsblatt gibt es einiges zu besprechen:
„Etwa die Frage, wie sich international tätige Unternehmen durch die geopolitischen Klippen militärischer Konflikte, fragiler Staaten und unterbrochener Lieferketten durchmanövrieren. Es wird viel über einen neuen kalten Krieg gesprochen. Kaum ein Unternehmen ist jedoch darauf vorbereitet, wenn wieder Mauern um politische Einflusssphären gezogen werden. ... Das Weltwirtschaftsforum sieht das Treffen in Davos als 'historischen Wendepunkt'. Sicher ist, dass Wirtschaftsführer und Politiker an einer Weggabelung stehen. Wohin sie sich wenden, ist jedoch unklar. Der Weg zurück zur relativ unbeschwerten Zeit nach dem Mauerfall ist jedenfalls erst mal versperrt.“
Nur noch ein Schatten seiner selbst
Ohne die zweifelhaften Teilnehmer aus Russland und China verliert das WEF seinen globalen Anspruch, meint die SonntagsZeitung:
„So mächtig und elitär wurden die 'Davos Men' in den letzten Jahren, dass sie nicht bemerkten, wie sie in Davos ihre rauschenden Partys zusammen mit unzähligen Diktatoren feierten, die dort nur eines suchten: die Festigung ihrer Macht mithilfe der globalen Wirtschaftselite. … Putin hat seinen wahren Charakter im Krieg mit der Ukraine gezeigt, Xi Jinping ruiniert im gleichen Moment mit seiner unsinnigen Null-Covid-Politik die chinesische Wirtschaft. … Das WEF in Davos wird auch zu den Verlierern gehören und vielleicht mit den 'Davos Men' untergehen.“
Die Zukunft gehört der Deglobalisierung
Warum sich die Verfechter der Globalisierung politisch und wirtschaftlich in der Defensive befinden, erklärt Kolumnistin Rana Foroohar in Financial Times:
„Die Gespräche [in Davos] werden sich um die Deglobalisierung und den Unmut darüber drehen. ... Es stimmt schon, unsere jüngste Globalisierungsrunde hat global gesehen das höchste Wohlstandsniveau aller Zeiten geschaffen. Doch leider gibt es, wie der Ökonom Dani Rodrik betont hat, für jeden US-Dollar Effizienzgewinn durch Handel typischerweise eine Umverteilung in Höhe von 50 US-Dollar an die Reichen. Die wirtschaftlichen und politischen Folgen davon sind der Hauptgrund dafür, dass wir uns jetzt in einer Phase der Deglobalisierung befinden.“