Beitrittskandidaten Ukraine und Moldau: Und nun?
Nach monatelangem Drängen aus Kyjiw ist es soweit: Die Ukraine und Moldau sind laut Beschluss des EU-Gipfels vom Donnerstag Beitrittskandidaten. Georgien wurde auf einen späteren Zeitpunkt vertröstet. Bei Gesprächen mit Vertretern der Westbalkan-Staaten gab es keinerlei Fortschritte. Europas Presse fragt sich, ob es Brüssel ernst meint mit der EU-Erweiterung.
Die Entscheidung kommt um Monate zu spät
Durch das lange Zögern hat man eine Chance vertan, ärgert sich Gość Niedzielny:
„Die Entscheidung des Europäischen Rates kostet nichts. Es war umso fahrlässiger, diese Geste nicht schon im März zu vollführen, als die russische Aggression noch in ihren Anfängen steckte. Damals hätte sie als moralische Unterstützung für eine Nation, die gegen einen Aggressor kämpfte, eine viel größere Wirkung haben können. Heute holt die EU voller Scham diese Versäumnisse nach.“
Zukunftsallianzen nicht vertändeln
Die Aufnahme der Beitrittskandidaten muss nun auch wirklich vorangehen, mahnt La Libre Belgique:
„Die Entscheidung darf sich nicht auf eine symbolische Geste beschränken. Es geht nicht darum, Kyjiw und Chişinău eine Garantie zu geben und sich dabei zu sagen, dass sie sowieso jahrzehntelang vor den Türen der EU warten werden. Es genügt nicht mehr, die Anträge der Balkanländer nach und nach voranzubringen, damit sie noch Jahre warten müssen. Die EU muss aufwachen. Und diejenigen an sich ziehen, mit denen sie ihre Zukunft teilen will. Andernfalls wird sie wie ein erstarrter Club dastehen, dessen Anziehungskraft sich bald verflüchtigen wird.“
Gespaltene Union wieder zusammenschweißen
Eine positive Signalwirkung in Richtung Ungarn und Polen erhofft sich El País:
„Die Anpassungsbemühungen, die die Ukraine unternehmen muss, um sich dem EU-Modell anzunähern, können die illiberalen Kräfte der zentral-östlichen Szene schwächen. Eine erfolgreiche Verwestlichung jenseits von Polen und Ungarn könnte auch dort die verlorene Stimmung der 'Nachahmung' wiederherstellen. ... In diesem Prozess kann die Ukraine ihrerseits zwei enorme Beiträge für die EU leisten: Sie kann beispielhaft zeigen, wie wichtig es ist, für Frieden und Demokratie zu kämpfen, und sie kann ein Hebel sein, der die beiden Hälften des Kontinents miteinander versöhnt.“
Brüssel wird sich keinen Bruch heben wollen
Außer Lippenbekenntnissen wird es für die Ukraine nichts geben, prognostiziert Krónika:
„Mit der Ukraine verhält es sich so wie mit dem kränklichen kleinen Jungen, dem sein Vater ein tolles Luxusauto in Aussicht stellt. Der Vater weiß natürlich, dass das Kind, wenn es einmal im Besitz des Führerscheins ist, das großzügige Angebot längst vergessen hat. ... Das problembeladene 40-Millionen-Land wäre ein viel zu großer Brocken für die EU. Aus einer EU-Mitgliedschaft der Ukraine wird folglich gar nichts. Aus Paris, Berlin und Brüssel werden in einigen Jahren die unterschiedlichsten Ausreden kommen, warum das große postsowjetische Land von der gemeinsamen Entscheidungsfindung Europas ferngehalten wird.“
Guter Ansporn für Georgien
Eine große Mehrheit der Georgier will einen Beitritt in die EU - dass ihr Land auch jetzt nicht zum Beitrittskandidaten wird, enttäuscht viele. Doch kann dieser Dämpfer auch eine stimulierende Wirkung haben, hofft La Stampa:
.„Die europäische Perspektive wird Georgien zu Recht zugesagt, aber die Rückschritte, die die Regierung in Tiflis in den letzten Jahren bei den demokratischen Reformen gemacht hat, konnten nicht unbemerkt bleiben. Paradoxerweise ist es gerade das 'Nicht jetzt' Brüssels gegenüber Georgien, das den Demonstranten in Tiflis Auftrieb geben könnte, die europäische Fahnen schwenken und sich damit sowohl für die EU als auch implizit gegen ihre eigene Regierung wenden“