Deutschland: Exportweltmeister in der Krise

Deutschlands Erfolgsmodell der vergangenen Jahrzehnte basiert auf der Verflechtung mit der Weltwirtschaft, rund 30 Prozent der Wertschöpfung stammen aus dem Export. Doch die Pandemie und der Ukraine-Krieg zeigen die Risiken durch fragile Lieferketten und die Abhängigkeit von autokratischen Regimen auf. Was bedeutet das für Europa?

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Der Freitag (DE) /

Erholung nur mit mehr Euro-Demokratie

Yanis Varoufakis, ehemaliger Finanzminister von Griechenland, gibt den Deutschen im Freitag einen Rat:

„Hört auf, dem Vergangenen hinterherzutrauern. Überspringt die üblichen Trauerphasen und fangt an, ein neues Wirtschaftsmodell zu entwickeln. ... Zuerst jedoch müsst ihr ein entscheidendes politisches Dilemma lösen: Wollt ihr, dass Deutschland politisch und fiskalisch souverän bleibt? Falls ja, wird auch euer neues Modell innerhalb unserer Eurozone nie funktionieren. Wenn ihr nicht zur D-Mark zurückwollt, braucht ihr ein Modell, das in eine vollwertige demokratische Europäische Föderation integriert ist. Alles andere wäre eine Fortführung der großen Lüge, die ihr gerade unter großen Schmerzen durchschaut.“

Les Echos (FR) /

Neuausrichtung ist gut für die EU

Dass sich Deutschland neu ausrichten muss, ermöglicht Fortschritte für die Union, freut sich Les Echos:

„Die Deutschen akzeptieren nun den Beginn einer europäischen Industriepolitik, die Entstehung von europäischen Marktführern, Subventionen für den Aufbau von Industrie, die für unsere Souveränität unerlässlich ist, und einen Schutz des Binnenmarkts, den sie bisher aus Angst vor der Abschottung ihrer eigenen Märkte abgelehnt hatten. Deutschland ist bekannt für seine Resilienz und seine Fähigkeit, sich neu zu erfinden: Es wird stärker zurückkehren. Aber wichtig wäre, dass es weniger egoistisch und mit realistischeren Ansichten zurückkehrt.“

wPolityce.pl (PL) /

Vor schwachem Nachbarn in Acht nehmen

wPolityce fürchtet sich vor negativen Außenwirkungen der Situation in Deutschland:

„Deutschland verzeichnet erstmals seit der Wiedervereinigung eine negative Außenhandelsbilanz. Das Land zeigt also, für seine Verhältnisse, Anzeichen von Schwäche. ... Die Erfahrung der letzten 30 Jahre hat gezeigt, dass Deutschland, wenn es schwächelt, sich auf Kosten anderer erholt. Das bedeutet auch, dass das Land die Kosten, die sich aus seiner Politik ergeben, auf andere abwälzt. ... Die allgemeine Schlussfolgerung ist, dass man sich vor Deutschland in Acht nehmen muss, wenn es in Schwierigkeiten ist und gleichzeitig selbst Lösungen aufzeigt: Immer zum Nutzen Deutschlands, nie zum Nutzen seiner Nachbarn.“

Expresso (PT) /

Vom deutschen Neo-Kolonialismus

Für den Publizisten Daniel Oliveira ist der EU-Gasnotfallplan ein weiterer Beweis dafür, dass Deutschland wie schon zur Eurokrise die EU-Politik nach Belieben bestimmt. Er schreibt in Expresso:

„Im Jahr 2011 haben wir für unsere Schwächen bezahlt, im Jahr 2022 werden wir nichts von unseren Vorteilen haben. … Wir akzeptieren eine Unterordnung, die uns zu Bettlern vor Deutschland im Jahr 2011 und zu passiven Steuerzahlern vor Deutschland im Jahr 2022 macht. Wir bezeichnen uns gleich als Nationalisten, wenn wir unsere Interessen verteidigen. Die Deutschen aber sind bloß pro-europäisch, wenn sie dasselbe tun. Was das europäische Projekt zum Gegenteil einer Union unter Gleichen macht und es einer kolonialen Beziehung ähneln lässt, ist die Gewissheit, dass für Staaten unterschiedliche moralische Regeln gelten.“