Was folgt auf das Fischsterben in der Oder?
Die Ursache für das massive Fischsterben in der Oder ist weiterhin unbekannt, obwohl die Labor-Untersuchungen des Wassers und der Kadaver in Polen und Deutschland auf Hochtouren laufen. Europas Presse sieht nicht nur das Ökosystem des Grenzflusses, sondern auch die polnisch-deutschen Beziehungen auf lange Zeit beschädigt.
Europäische Standards gelten hier nicht
In Deutschland wird man sich merken, wie die Behörden der PiS hier reagiert haben, meint Polityka:
„Man erhält den Eindruck, dass diese Krise das Misstrauen Deutschlands gegenüber der polnischen Regierung weiter vertiefen wird. Für die Deutschen gibt es auch eine wichtige Lehre: Im Falle einer Krise in der Grenzregion sollte man weder auf Informationen von der anderen Seite warten noch auf Koordination setzen. Man muss einfach von Anfang an sein eigenes Ding machen. Denn was in den Beziehungen zu anderen Nachbarn gut funktioniert und als europäischer Standard gilt, funktioniert nicht im Umgang mit feindlich gesinnten Politikern und Beamten.“
Konflikt mit Brüssel schwächt Warschau
Die konfrontative Politik der PiS ist kontraproduktiv, ist Gazeta Wyborcza überzeugt:
„Diese Partei will uns mit allen Institutionen in Konflikt bringen, die per Definition ein Bollwerk gegen die Vorherrschaft der Großen sind. Anstatt die Spielregeln zu befolgen und die EU-Mechanismen entsprechend geschickt zu nutzen, streitet sie sich mit der Kommission. Mit der Forderung nach einer Beschneidung der EU-Kompetenzen handelt Kaczyński - in Übereinstimmung mit der Logik der PiS - de facto zugunsten Deutschlands. Denn die Folge ist, dass den starken Akteuren keine Grenzen gesetzt werden.“
Das PiS-System stinkt zum Himmel
Polens rechtspopulistische Regierungspartei hat komplett versagt, empört sich die taz:
„Morawiecki feuerte zwar zwei Spitzenbeamte. Doch was ändern zwei Bauernopfer, die noch dazu darauf rechnen können, von der Partei bald einen anderen lukrativen Job angeboten zu bekommen? Das ganze PiS-System stinkt zum Himmel. Es ist zu hoffen, dass die Wähler dies begreifen - angesichts Hunderttausender toter Fische und einer unfassbaren Leichtfertigkeit der PiS-Politiker gegenüber den Gefahren für Leib und Leben der Polen. Und dass sie dann im Herbst 2023 die PiS abwählen, sodass aus dem Einparteienstaat wieder eine funktionierende Demokratie werden kann.“
Dort gingen schon andere Karrieren unter
Polens Regierung könnte sich verschätzen, so Rzeczpospolita:
„Die Regierung hofft, dass sich das Problem der Umweltkatastrophe an der Oder wieder beruhigt. Schließlich ist Urlaubszeit, außerdem haben wir ein langes Wochenende. Und nächste Woche beschäftigen sich die Polen vielleicht schon mit anderen Themen. Allerdings gab es bereits einen Premier, dessen Karriere in der Oder versenkt wurde. Genau vor 25 Jahren schadete Włodzimierz Cimoszewicz eine empathielose und unsensible Aussage während der Jahrtausendflut.“
Es geht nur gemeinsam
Dass es bisher keine vernünftige Zusammenarbeit zur Aufklärung des Problems gibt, zeigt, wie sehr das deutsch-polnische Verhältnis nicht mehr nur auf Regierungsebene gestört ist, meint der Warschau-Korrespondent von Die Welt, Philipp Fritz:
„Gerade die Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Polen im Grenzgebiet, etwa bei der Polizei oder auch den Umweltbehörden, wird gerne auf beiden Seiten der Oder gelobt - oder besser gesagt: wurde. ... 'Tatsächlich wissen wir, dass diese Meldekette, die für solche Fälle vorgesehen ist, nicht funktioniert hat', sagte ein Sprecher des Bundesumweltministeriums am Freitag. ... Das ist beunruhigend, denn es braucht unbedingt ein gutes deutsch-polnisches Verhältnis. ... Die gemeinsamen Probleme werden auf absehbare Zeit nicht weniger werden.“
Ein zweites Tschernobyl
Gazeta Wyborcza betont die internationale Dimension des Unglücks:
„Die Umweltkatastrophe an der Oder wird von Experten mit einem zweiten Tschernobyl verglichen. Und das nicht nur, weil die Behörden die Bürger zu spät gewarnt haben. Die Folgen der Auslöschung des Lebens in der Oder werden noch über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte zu spüren sein. Es ist auch ein internationales Problem - entlang des Flussbettes verläuft die Grenze zu Deutschland, und in der Nähe befinden sich Nationalparks und Naturschutzgebiete von europäischer Bedeutung.“
Ein Fluss in Todesqualen
Tygodnik Powszechny ist untröstlich:
„Selbst wenn der Verursacher der Katastrophe ermittelt und verurteilt wird und die Beamten, die das Problem monatelang ignoriert haben, entlassen werden, ist der Schaden für die Umwelt irreversibel. Wir sind im 21. Jahrhundert zu der Einsicht gelangt, dass ein Fluss nicht nur aus Wasser besteht, das durch einen Flusslauf zur Mündung fließt, sondern auch aus der Vegetation, den Fischen, Insekten oder Vögeln. ... All diese Elemente bilden einen komplexen Organismus, von dem das Leben aller Bewohner des Flussgebiets abhängt. Die Bilder, die wir heute sehen - tote Fische und Säugetiere - sind nicht das Weinen des Flusses, sondern seine Todesqualen. Es wird mindestens einige Jahre dauern, bis sich die Oder von diesem Zustand erholt. Weinen sollten wir.“
Behörden scheuen die Verantwortung
Die Journalistin Anita Dmitruczuk fordert in Gazeta Wyborcza Erklärungen:
„Welche Institution ist in Polen für den Umweltschutz zuständig? Die Liste ist ziemlich lang: Landesinspektionen für Umweltschutz, der Hauptinspekteur für Umweltschutz, die Regionaldirektoren für Umweltschutz, der Generaldirektor für Umweltschutz, die staatliche Forstverwaltung, die Kommunalverwaltungen, die polnische Gewässeraufsicht, der Minister für Klima und Umwelt, manchmal auch die Polizei und die Staatsanwaltschaft. ... Ich wette, dass ich nicht alle aufgezählt habe, ich bitte für die Ausgelassenen um Entschuldigung. Wer kann also erklären, warum fünf Tonnen Fische in der Oder gestorben sind und was das für den Fluss bedeutet? Leider ist niemand bereit, dies zu tun.“