Darf der ungarische Staat Vodafone kaufen?
Der britische Mobilfunkriese Vodafone will sein Geschäft in Ungarn verkaufen. Das dortige Tochterunternehmen soll für knapp 1,8 Milliarden Euro an die ungarische 4iG und die ungarische Staatsholding Corvinus Zrt gehen. Der Staat wird einen Anteil von 49 Prozent an der Firma haben. Kommentatoren werfen Fragen nach den Folgen für das Land auf.
Orbán baut seine Macht aus
Die Financial Times analysiert den Schritt:
„Für Viktor Orbán ist die Rückführung in staatliches Eigentum Teil einer umfassenderen Strategie, seine politische Dominanz auf den kommerziellen Bereich auszudehnen - und ein sozioökonomisches System zu schaffen, das bleibt, selbst wenn Fidesz die Macht verliert. Ein Teil dieser Strategie besteht darin, Gelder und Geschäftschancen Loyalisten zukommen zu lassen. In einigen Fällen handelt es sich dabei um Kindheitsfreunde des Premiers. So hat sich im EU-Land Ungarn eine staatsnahe Wirtschaftselite von 'Orbán-Oligarchen' herausgebildet, die jenen in Ex-Sowjetrepubliken ähnelt. “
Nichts Neues unter der Sonne
Magyar Nemzet ist nicht besonders besorgt:
„Staatseigentum - sogar ein Mehrheitseigentum, das die Kontrolle ermöglicht - ist kein seltenes Phänomen bei grenzenüberschreitenden europäischen Telekommunikationsgruppen. In Deutschland hat die Bundesregierung einen Eigentumsanteil von 14,5 Prozent bei der Deutschen Telekom AG und indirekt noch 17,4 Prozent über die Staatsbank KfW. Der Eigentumsanteil des Bundes macht also insgesamt 31,9 Prozent aus. Telekom Austria befindet sich zu 28,42 Prozent im Teilbesitz einer österreichischen Staatsholding. Im Fall von Telenor besitzt der norwegische Staat 54 Prozent der Firma.“
Auf Kosten der Armen
Népszava hält dieses Geschäft in Krisenzeiten für schändlich:
„Der Staatshaushalt lebt gerade von Krediten - von der Staatsverschuldung - und hat kein Geld für das Gesundheitswesen oder für die Bildung. ... Es gibt Tausende, die im Winter kein Geld für Heizung, Lebensmittel und Medikamente haben werden. Das Land ist auf dem Weg in eine riesige soziale Katastrophe. Unter solchen Umständen ist es ein Verbrechen, Milliarden nicht für die Rettung der Menschen auszugeben. ... Und für Verbrechen muss man sich irgendwann einmal verantworten, wenn nicht vor Gericht, dann vor höheren Foren.“