Krieg gegen Ukraine: Kann Diplomatie noch helfen?
Immer wieder wird der Ruf nach Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg laut. Doch ist die Basis dafür derzeit gegeben? Kommentatoren beschäftigen sich mit der Frage, welche Rolle die Diplomatie als Mittel der Verständigung und Friedenssicherung spielen sollte.
Russland scheint zu Verhandlungen bereit
Die Chancen für Gespräche mit Moskau waren vielleicht noch nie so gut wie jetzt, schreibt der ehemalige Uno-Diplomat Victor Ângelo in Diário de Notícias:
„Möglicherweise ist die russische Führung jetzt eher zu Verhandlungen bereit als noch vor einiger Zeit. Die Kehrtwende in Bezug auf die Blockade von Getreideschiffen - der Kreml ist innerhalb weniger Tage von einer sehr harten zu einer gemäßigten Position übergegangen, ohne dass es irgendeinen Grund gäbe, der diesen Politikwechsel rechtfertigt - bedeutet, dass man gewillt ist, aus dem Schlamassel herauszukommen, in den man am 24. Februar geraten ist. ... Wenn man den Kreml mit der nötigen politischen Klugheit unter Druck setzt, könnte man in naher Zukunft über einen Friedensprozess sprechen.“
Kein Interesse aus Moskau
New Statesman versucht, Russlands Verlautbarungen zu Gesprächen auf den Grund zu gehen:
„Moskau sagt nie, dass man kein Interesse an Verhandlungen habe, erklärt dann aber ausführlich, warum Kyjiws Weigerung den russischen Forderungen nachzugeben, das Problem sei, das diesbezüglichen Fortschritt verhindere. ... Selbst wenn Putin ein ernstzunehmendes Angebot vorgelegt bekäme, kann man nicht davon ausgehen, dass es in Erwägung gezogen werden würde. Stattdessen müssen wir eine andere Möglichkeit in Betracht ziehen: Putin hat kein Interesse daran, den Krieg bald zu beenden, wenn das bedeuten würde, dass er anerkennen müsste, seine wichtigsten Ziele nicht erreicht zu haben.“
Miteinander sprechen ist nicht gleich einknicken
Nahost-Experte Sébastien Boussois bricht in Le Vif/L'Express eine Lanze für Diplomatie auch in ausweglos scheinenden Situationen:
„Diplomatie und Dialog werden unerlässlich sein, wenn wir uns nicht mehr durch Krieg Gehör verschaffen wollen. Miteinander sprechen heißt nicht, einzuknicken, selbst wenn es nicht leicht ist. Wir müssen zudem erhebliche Anstrengungen unternehmen, um die neuen Mächte, die wir aus Unkenntnis ablehnen, kennenzulernen und von ihnen zu lernen. Durch den Kontakt mit uns werden sie sich hoffentlich in die 'richtige Richtung' - nämlich in unsere - entwickeln können. ... Russland, das man zu lange abgewiesen und weggedrängt hat, hätte auf unseren Kontakt hin im Zentrum unserer Dynamik stehen und heute eine andere Stellung haben können.“
Putin muss eine schmerzhafte Niederlage erfahren
Wenn die Verantwortlichen für die russischen Kriegsverbrechen bestraft werden sollen, gibt es nur eine Option, zeigt sich der Politologe Roman Kuźniar in Rzeczpospolita überzeugt:
„In diesem Konflikt muss Russland eine schmerzhafte Niederlage zugefügt werden. Die Außenwelt wird nicht in der Lage sein, Putin und seine Komplizen zu bestrafen, sie werden vor keinem internationalen Tribunal stehen (eventuell in Abwesenheit), so dass nur eine schmerzhafte Niederlage Russlands, die auch die Russen zu spüren bekommen, diese dazu bringen wird, eine gerechte Strafe für die Verbrecher zu fordern, die Russland mit dem Überfall auf die unabhängige Ukraine in die Katastrophe gestürzt haben.“