Explosion in der Innenstadt von Istanbul
Nach dem Bombenanschlag in der Istanbuler Innenstadt hat die türkische Regierung militante Kurden-Organisationen für die Tat verantwortlich gemacht. Die mutmaßliche Täterin sowie 46 weitere Personen wurden festgenommen. Sowohl die PKK als auch die Kurdenmiliz YPG distanzierten sich indes von dem Anschlag. Kommentatoren fragen sich, wem so eine Tat nützen könnte.
Von der Angst profitiert Erdoğan
Der Terroranschlag verheißt wenig Gutes für die Wahlen im kommenden Jahr, befürchtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung:
„In frischer Erinnerung ist den Türken, dass die Monate vor der Wahl im November 2015 eine der blutigsten Phasen in der jüngeren Geschichte waren. Aus der Wahl ging Erdoğan gestärkt hervor. Je mehr die Menschen nun um ihre Sicherheit besorgt sind, desto eher sind sie bereit, weitere Einschränkungen ihrer Grundfreiheiten hinzunehmen. Die rigorose Nachrichtensperre könnte ein Vorbote dafür sein, dass die Regierung vor den Wahlen die Grundrechte noch weiter einschränken könnte.“
Weiterer Druck auf Finnland und Schweden
Auch außenpolitisch könnte Erdoğan den Anschlag für seine Zwecke instrumentalisieren, analysiert Népszava:
„Das Attentat könnte dem unpopulären türkischen Präsidenten einen Vorwand liefern, um eine lange angekündigte Kampagne gegen kurdische Streitkräfte in Syrien, die er als Teil der linksradikalen Terrororganisation [PKK] ansieht, zu starten. Es könnte ihm auch dabei helfen, Finnland und Schweden für die Zustimmung zu deren Nato-Beitritt zu weiteren Zugeständnissen zu zwingen. Denn diesen beiden Ländern wird vorgeworfen, zu nachgiebig gegenüber der PKK zu sein. “
Regierung hat kein Interesse an Terror
Gerüchte, dass die türkische Regierung den Anschlag selbst angezettelt haben könnte, sind für Karar fehl am Platz:
„Die sofortige Festnahme der Verdächtigen und die Inhaftierungen sind kein Beweis für ein abgekartetes Spiel, sondern für den Erfolg der Sicherheitskräfte. Wenn alle Beweise gesammelt sind, wird es eine öffentliche Anhörung vor Gericht geben und wir werden alles im Detail sehen. Diese Anzettelungstheorie ist ebenso unrealistisch wie die Verschwörungstheorien, die die Regierung über die Opposition aufstellt. Es liegt nicht im Interesse der Regierung, Angst vor Terrorismus zu schüren. Vielmehr will sie den Eindruck erwecken, dass sie im Kampf gegen den Terrorismus erfolgreich ist und für Sicherheit sorgt.“
Die Türkei hat mehr als einen Feind
La Repubblica vermutet die Täter in den Kreisen der kurdischen PKK:
„Der Islamische Staat pflegt sich rasch zu Attentaten zu bekennen. ... Doch ist das dieses Mal nicht der Fall. Außerdem setzt die extremistische Gruppe in 99 Prozent der Fälle männliche Attentäter ein... Die PKK ist der andere große Verdächtige. In den letzten neun Monaten hat uns die russische Invasion in der Ukraine in Atem gehalten, aber das bedeutet natürlich nicht, dass es in anderen Krisengebieten der Welt keine extreme Gewalt mehr gibt. Im Oktober beschuldigten die Kurden die türkische Armee, bei einer der Razzien, die die Türkei häufig gegen militante PKK-Kämpfer in den Nachbarländern durchführt, chemische Waffen in einem Lager der Gruppe im Nordirak eingesetzt zu haben.“
Grenzen besser kontrollieren
Cumhuriyet fordert einen starken Staat:
„Die Lösung des Problems erfordert gesellschaftlichen Konsens und eine einheitliche staatliche Politik. Der Schlüssel zu dieser Politik liegt darin, die aus- und inländischen Unterstützer des Terrorismus ernsthaft zu bekämpfen und einen gemeinsamen Willen zu bekunden. ... Vor allem sollten Pläne für die Grenzsicherung gemacht werden. Insbesondere sollte ohne Zeit zu verlieren eine Liste mit Terroristen, die als Asylbewerber getarnt in die Türkei eindringen, und eine Liste der afghanisch-syrischen Spezialeinheiten, denen Straftaten vorgeworfen werden, erstellt werden.“
Rückzugsgefecht der Terroristen
Für die regierungstreue Sabah macht der Anschlag in Istanbul deutlich, wie geschwächt bestimmte Organisationen eigentlich sind:
„Die Türkei hat die Köpfe der terroristischen Vereinigungen, insbesondere der Gülenisten, der PKK und des IS, zerschlagen. Sowohl die Ursache des Terrorismus als auch die Art und Weise, wie er bekämpft werden muss, sind klar. Angriffe auf die Zivilbevölkerung zeigen die Verzweiflung der terroristischen Organisationen. Wenn die Türkei stärker wird, wird es solche Angriffe auf unsere Stabilität geben. Sie glauben immer noch, dass wir in der Türkei der 1990er Jahre leben. Sie werden nie Erfolg haben.“