Sollte die EU Fördergelder für Ungarn streichen?
Die EU-Kommission sieht unzureichende Reformbemühungen im Kampf gegen Korruption in Ungarn. Sie will deshalb bis zu 7,5 Milliarden Euro Fördergelder einfrieren, die für Budapest bestimmt sind. Eine entsprechende Empfehlung könnte am Mittwoch ausgesprochen werden. Darüber müssten dann eine Woche später die EU-Finanzminister entscheiden. Für die meisten Kommentatoren ist der Schritt überfällig.
Standhaft bleiben
Brüssel darf sich nicht wieder mit leeren Versprechen abspeisen lassen, fordert Politiken:
„Der ungarische Regierungschef hat versucht, seinen Zugang zu EU-Hilfsprogrammen aufrechtzuerhalten, indem er vorgab, seine Regierung habe tatsächlich ein ernsthaftes Reformprogramm im Gange. ... Es darf keine Abkürzung geben, weder für Ungarn noch für andere. Die Kommission und der Ministerrat sollten darauf bestehen, dass Demokratie, Rechtssicherheit und unabhängige Gerichte eine unverzichtbare gemeinsame Grundlage für die EU sind. Und die Gemeinschaft darf sich nicht mit Reformversprechen zufrieden geben, sondern muss verlangen, dass sie in Gesetze umgesetzt werden, auch in Ungarn. Deshalb: Bleiben Sie jetzt standhaft, EU.“
Orbán hat sich in die Sackgasse manövriert
Aus der Anti-EU-Politik gibt es wohl keinen Ausweg, fürchtet Népszava:
„Der Regierung Ungarns ist kein rettender Ausweg mehr übrig geblieben: Ihre Politik baut teilweise auf der Brüssel-Feindlichkeit auf. Und nun hängt das Überleben der Regierung von denjenigen ab, deren Gehirn erfolgreich gewaschen wurde und die diese fatale, in den Abgrund führende Anti-EU-Haltung unterstützen. Und es steht zu befürchten, dass der eigene Machterhalt wichtiger ist als die Interessen einer massenhaft verarmenden Bevölkerung.“
Autoritarismus nicht weiter finanzieren
Die EU-Kommission hat endlich den Mut gefunden, Orbán in die Schranken zu weisen, freut sich der Tages-Anzeiger:
„Seit Jahren behandelt Ungarns Regierungschef die Union wie einen lästigen Bankangestellten, der ihm das Geld rüberschieben, aber gefälligst nicht dreinreden soll, wie er es ausgibt. Doch es geht die EU natürlich etwas an, wenn ihre Zuschüsse, die die Steuerzahler anderer Länder bezahlen, über Schiebereien auf den Konten von Orbáns Verwandten und Freunden landen. Und erst recht geht es die EU etwas an, wenn Orbán in seinem Land alles attackiert und demontiert, was eine moderne europäische Demokratie ausmacht: den Rechtsstaat, die unabhängige Justiz, die freien Medien, die politischen Wettbewerber.“
Die Einheit der EU ist in Gefahr
EU-skeptische Parteien, die wie die Schwedendemokraten (SD) Einfluss auf die nationalen Regierungen haben, könnten die Front gegen Länder wie Ungarn bröckeln lassen, fürchtet Aftonbladet und sieht ein Anzeichen darin, dass sich Schweden bei der Abstimmung über das EU-Budget zusammen mit Ungarn der Stimme enthalten hat:
„Schweden hat die EU-Ratspräsidentschaft in der ersten Hälfte des Jahres 2023 inne und wir konnten nicht einmal die wichtigste Entscheidung des Jahres absegnen. Stattdessen saßen wir mit verschränkten Armen neben einem Land, das erpresst, um seine eigene Demokratie abzubauen. Bisher hat das gelbe Licht [die Enthaltung] bei der Abstimmung hier in Schweden kein großes Aufsehen erregt. Aber in Brüssel ist es ein blinkendes Warnlicht.“
Trotz Störenfried handlungsfähig bleiben
Die Wochenzeitung Respekt glaubt nicht mehr an einen Kompromiss zwischen Brüssel und Budapest:
„Viktor Orbán hat in Europa in den letzten Jahren viel an Macht und Einfluss verloren. Die Unterstützung der Deutschen ist weg, die Beziehungen zu den anderen Visegrád-Ländern sind erkaltet. ... Die EU-Kommission scheint entschlossen, auf Konfrontation zu gehen und sich nicht mehr erpressen zu lassen. Zwischen der Union und dem ungarischen Premier könnte es zum offenen Krieg kommen. Das brächte eine neue Situation. Die EU müsste nach improvisierten (und langsameren und teureren) rechtlichen Lösungen suchen, um ungarische Einsprüche künftig zu umgehen. Einen Weg, auch mit einem feindlichen Mitglied funktionstüchtig und handlungsfähig zu bleiben.“