Putin und Lukaschenka: Ziemlich beste Feinde?
Russlands Präsident Putin hat sich mit dem belarusischen Machthaber Lukaschenka in Minsk getroffen. Parallel dazu lief ein gemeinsames Militärmanöver russischer und belarusischer Streitkräfte. Die russische Staatsagentur Tass beschrieb das Treffen als ergebnisreich. Allerdings gibt es zwischen den verbündeten Despoten einige Ungereimtheiten, meinen Kommentatoren.
Strategie ohne Rücksicht
Putin behandelt seinen Verbündeten nicht gerade partnerschaftlich, stellt Kolumnist Pierre Haski auf France Inter fest:
„Laut einer informellen Umfrage sind drei Viertel der Belarusen gegen einen Eintritt ihres Landes in den Krieg. Und Lukaschenka kann sich denken, dass wie zu Beginn des Einfalls in die Ukraine Sabotageakte verübt werden. Doch Putin denkt vor allem an seine eigene Strategie. ... Laut ukrainischen Generälen will Putin in den kommenden Wochen eine neue Offensive starten. Zu den Optionen, die er noch nicht genutzt hat, gehört die Ausweitung des Krieges auf ein weiteres Land: Belarus. Das wäre eine schlechte Nachricht für Lukaschenka, den Putin als seinen 'besten Verbündeten' beschrieben hat.“
Das Dilemma von Lukaschenka
Der Druck auf den Machthaber in Minsk wächst, beobachtet La Stampa:
„Offiziell war in Minsk nicht von Krieg die Rede, aber der intensive Austausch von Besuchen der Verteidigungsminister in den vorangegangenen Wochen lässt für die Kyjiwer Führung wenig Zweifel: Putin ist nach Belarus geflogen, um Lukaschenka zum Krieg zu bewegen. Der Kommandeur der ukrainischen Truppen Walerij Saluschnyj ist davon überzeugt, dass der Kreml einen neuen Angriff auf Kyjiw plant. ... Doch diesmal möchten die Russen, dass Lukaschenka nicht nur sein Territorium bereitstellt, sondern auch seine eigenen Soldaten, mindestens 30.000. ... Ein Ersuchen, das Lukaschenka jedoch seit Februar ablehnt.“
Kein betonhartes Bündnis
Lukaschenka will sich ein Türchen zum Westen offenhalten, glaubt wPolityce:
„Lukaschenka ist trotz seiner offiziell harten Rhetorik unzufrieden mit der Richtung, in die sich die Situation entwickelt, da es den Anschein hat, dass Russland den Krieg entweder gewinnen oder verlieren kann, Belarus und er selbst sich aber in jedem Fall in einer Verliererposition befinden würden. Dies wiederum hat den belarusischen Diktator dazu veranlasst, in letzter Zeit mehrere Schritte zu unternehmen, die als Signal an den Westen gedeutet wurden, dass er zu Gesprächen bereit ist und vielleicht sogar schon Verhandlungen hinter den Kulissen begonnen haben und dass sein Bündnis mit Russland keineswegs auf einem Stahlbetonfundament steht.“
Belarus wird Russlands Rüstungsschmiede
Wirtschaftswissenschaftler Wladislaw Inosemzew prognostiziert auf Facebook die Integration von Belarus in Putins Kriegswirtschaft:
„Die belarusische Rüstungsindustrie (und nicht nur diese) wird schneller und effizienter als die russische auf militärische Gleise umgespurt. ... Es gibt zahlreiche Berichte, dass Belarus iranische Drohnen für die russische Armee produzieren soll, dass belarusische Unternehmen am russischen Raketenprogramm beteiligt werden könnten und dass die Industrie der Republik die nicht allzu erfolgreiche russische Rüstungsindustrie zunehmend ersetzen wird. All dies dürfte die wichtigste Voraussetzung zur Fortsetzung der Moskauer Finanzhilfe werden, ohne die Belarus' Wirtschaft nicht überleben kann.“
Lukaschenka schlägt wieder Haken
Gazeta Wyborcza beobachtet:
„Aljaksandr Lukaschenka ist nach zehn Monaten Krieg in der Ukraine immer noch nicht bereit, seine Dankesschuld gegenüber Putin zu begleichen, der ihn 2020 vor einem Volksaufstand der Belarusen bewahrt hat. Er schlägt immer noch Haken, wie er es schon seit mehr als einem Vierteljahrhundert an der Macht gewöhnt ist. In einem Moment beschuldigt er den Westen, eine Invasion seines Landes zu planen, im nächsten bedroht er seine Nachbarn und unterstützt Moskau, und im nächsten versichert er der Welt, dass seine Absichten rein friedlich sind. Insgesamt versucht er jedoch zu vermeiden, dass Belarus endgültig in einen kriegerischen Konflikt hineingezogen wird, was die große Mehrheit der Bürger ebenfalls nicht will.“