Chinas Friedensplan: Erfolgversprechende Initiative?
Peking hat am Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine einen 12-Punkte-Plan zur Lösung des Konflikts vorgestellt. Der ukrainische Präsident Selenskyj begrüßte die Forderung, die "Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität aller Länder" zu wahren. Andere Punkte bewertet Kyjiw skeptisch. Frankreichs Präsident Macron lobte die Initiative und kündigte eine China-Reise an. Europas Presse ist geteilter Meinung.
Das könnte Russland retten
Deník kann dem Papier aus Peking durchaus Positives abgewinnen:
„Das Wichtigste ist jetzt, dass China beginnt, wirklich mit dem Westen, der Ukraine und ja, Russland zusammenzuarbeiten, um einen gerechten Frieden zu erreichen. Seine Grundlage ist, dass der Aggressor, also Russland, ohne Kriegsbeute bleibt. Und dass Russland für die Schäden bezahlen wird, die durch seinen unprovozierten Angriff auf die Ukraine verursacht wurden. Peking mag vor Moskau zu dem Schluss gekommen sein, dass dieser Krieg für Russland verloren ist und dass es ihn nicht gewinnen kann. Vielleicht rettet China gerade seinen strategischen Partner vor dem totalen Zusammenbruch und einer katastrophalen Niederlage mit unvorstellbaren Folgen.“
Offenheit bewahren
Chinas Plan sollte nicht leichtfertig abgetan werden, findet Times of Malta:
„Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bezeichnete ihn als unglaubwürdig, weil Peking den Einmarsch in die Ukraine nicht verurteilt habe. Ursula von der Leyen fügte hinzu, dass sich China bereits für eine Seite entschieden habe. Aber es gibt auch einige Anzeichen für eine gewisse Offenheit gegenüber dem chinesischen Plan. Die ukrainische Regierung begrüßte ihn. ... Und Emmanuel Macron signalisierte, dass er beabsichtige, China im April zu besuchen, und drängte Peking erneut, Druck auf Russland auszuüben, den Krieg zu beenden und keine Waffen zu liefern. Vielleicht wächst langsam die Erkenntnis, dass für Dialog eine größere Offenheit notwendig ist.“
Kein neutraler Vermittler
Die positiven Elemente des Plans können die Zweifel daran nicht ausräumen, findet Sydsvenskan:
„Sicherlich gab es in der chinesischen Erklärung Elemente, die hervorragend klingen. Zum Beispiel die Einrichtung humanitärer Korridore, über die die Zivilbevölkerung evakuiert werden kann. Und dass nukleare Einrichtungen geschützt werden müssen und dass Atomwaffen nicht bei den Kämpfen eingesetzt werden dürfen. Dass sich das Land überhaupt engagiert, ist ein Fortschritt. ... Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass der chinesische Vorschlag Realität wird. Denn auch wenn sich China in dem Konflikt für neutral erklärt hat - es wird meist als enger Partner von Wladimir Putins Russland angesehen. Zumindest deutet das Wort 'Krise' anstelle des korrekten Wortes 'Krieg' genau darauf hin.“
Auf Heuchelei mit Heuchelei reagieren
Es wäre ein Fehler, sollte der Westen auf den Plan gar nicht eingehen, meint Público:
„Es ist verständlich, dass China sich als Friedensengel darstellen möchte. Im Tauziehen zwischen Diplomatie und Krieg muss manchmal Heuchelei mit Heuchelei beantwortet werden. Zu akzeptieren, dass Russland die territoriale Integrität der Ukraine respektieren muss, wäre ein großer Sieg für die Ukraine und ihre Verbündeten. Und selbst wenn die Absicht nur auf dem Papier bliebe, könnte sie das Verdienst haben, ein Zerwürfnis zwischen Moskau und Peking zu provozieren.“
Peking könnte Rückzug erzwingen
Auch eldiario.es sieht zumindest eine Chance:
„Obwohl der Plan viele Mängel aufweist, kann Russland ihn nicht einfach ablehnen, da seine Abhängigkeit von China enorm ist. Es könnte sogar ein sofortiger Waffenstillstand zustande kommen, sollte Xi Jinping diesen vorschlagen, was Moskau zum Rückzug zwingen würde. An sich ist die Tatsache, dass China einen Vorschlag unterbreitet hat, unabhängig von seinem Inhalt, sehr positiv. Hoffen wir, dass die Reaktionen auf die sich bietende Chance angemessen sind.“
Bewerbung für den Kreis der großen Player
Der frühere ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin hält Chinas Plan für einen Versuch, eine einflussreiche Rolle in der internationalen Politik zu bekommen, wie er auf Facebook schreibt:
„[Der chinesische Friedensplan] ist ein sehr vorsichtiger Text, der viele Fallen enthält. Es geht es nicht um den Inhalt - die Chinesen wissen ganz genau, dass er für uns, den Westen oder Russland inakzeptabel ist. Dieser Plan ist ein Antrag, auch Mitspieler zu werden, ein 'Player' zu werden, der bereit und willens ist, global zu 'spielen'. Und es ist schon eine ernstzunehmende Bewerbung.“
China will Stärke zeigen - bei den Nachbarn
Der Sozialanthropologe und frühere rumänische Parlamentarier Gabriel Hora Nasra schreibt in Adevărul, dass Peking mit dem Plan ein Signal nach Zentral- und Südasien senden will:
„Vor 2022 hätten die Chinesen gern mehr Öl, Gas und Metalle aus Zentralasien importiert, doch mussten sie damals pragmatisch auf die russischen Interessen und auf das sowjetische Erbe der zentralasiatischen Länder Rücksicht nehmen. Heute dagegen hat China freie Bahn, sich diesen Republiken zu nähern, angesichts der Abhängigkeit Russlands von China. ... Daher sind die zwölf Friedenspunkte zwar für den Westen leere Worte, doch sind sie ein exzellentes Dokument für die Blockfreiheit Chinas und dafür, dass sich die Länder Zentralasiens um China herum gruppieren sollen.“