Putin und Xi: Was bedeutet diese Partnerschaft?
Am Mittwoch ist der dreitägige Besuch von Chinas Präsident Xi Jinping in Moskau zu Ende gegangen. Putin und Xi sprachen während des Treffens über Chinas Zwölf-Punkte-Plan für die Ukraine, den Russlands Präsident als Vorstoß für eine friedliche Lösung lobte. Xi hatte zuvor erklärt, China werde im Namen eines "wahren Multilateralismus" weiter mit Russland zusammenarbeiten. Europas Presse bilanziert.
Peking will sich zu nichts verpflichten
China setzt in Russland seine eiskalte Interessenpolitik fort, beobachtet 24 Chasa:
„Die Russen rechneten damit, dass Peking Zusagen für den Bau der Gaspipeline 'Sibirien 2' machen würde, doch nichts desgleichen ist passiert. China möchte lediglich ohne Verpflichtungen zu hohen Rabatten einkaufen. Wir sehen, wie China in anderen Ländern vorgeht: Es vergibt Kredite unter ziemlich harten Bedingungen, dann trennen sich etliche afrikanische Länder von strategischen Objekten, weil sie ihre Kredite nicht zurückzahlen können. Ob Russland diesen Punkt erreichen wird, ist schwer vorherzusagen, aber es wäre nicht auszuschließen.“
Fernost lockt, der Westen verprellt
Der Westen treibt viele Länder zur Kooperation mit China, kritisiert Sašo Ornik auf seinem Blog Jinov svet:
„Es ist klar, dass Russland China als Verbündeten wählen wird und nicht den kollektiven Westen, wo Politiker und Journalisten vor Hass auf alles Russische schäumen. Schließlich werden sogar russische Sportler daran gehindert, an Sportveranstaltungen teilzunehmen. Sicherlich ist für den durchschnittlichen Westler die Erkenntnis, dass China eine bessere Wahl als der Westen ist, nicht angenehm. Aber natürlich ist dies nicht nur in Russland der Fall, sondern in fast der ganzen Welt. Nur unglaubliche Verblendung hindert uns daran, uns zu fragen, warum das so ist. Hier als Hinweis: Es ist nicht die Schuld der chinesischen Propaganda.“
Kriegsverlauf entscheidend für die Freundschaft
Die Achse Peking-Moskau und das Geschehen auf dem Schlachtfeld beeinflussen sich wechselseitig, analysiert Jyllands-Posten:
„Entscheidend wird vorerst sein, ob China wirklich damit beginnt, Russland für die Aggression in der Ukraine Waffen zu liefern, oder ob die bisherige Neutralität im Konflikt gewahrt bleibt. Je mehr die Front in der Ostukraine einfriert und sich die erwartete russische Offensive verzögert, desto eher wird Peking sein bisheriges Wohlwollen gegenüber Moskau überdenken. Dieses Verhältnis wird durch die weitere Entwicklung auf dem Schlachtfeld bestimmt.“
Zwei Autokraten auf dem Weg zum Umsturz
Chinas Friedensplan ist nun nichts mehr wert, findet El Mundo:
„Xis Rückendeckung für Putin macht den vermeintlichen Friedensplan zunichte, in dem Peking aus einer falschen Äquidistanz heraus die territoriale Integrität der Ukraine verteidigte, ohne Moskau eine Aggression zuzuschreiben. Der chinesische Staatschef hat den ukrainischen Präsidenten nicht kontaktiert und sein reger Handel mit einem durch Sanktionen isolierten Russland kommt ihm gelegen. ... Xis Besuch stärkte auch die gefährliche politische und wirtschaftliche Allianz zwischen zwei Autokratien, die der Wunsch vereint, die Weltordnung umzustürzen. ... Eine Partnerschaft, die die westlichen Verbündeten aufrüsten lässt, wie der symbolische Überraschungsbesuch des japanischen Premiers Kishida in Kyjiw bewiesen hat.“
Friedensplan hat an Glaubwürdigkeit verloren
Auch De Volkskrant hält Chinas diplomatische Bemühungen für gescheitert:
„Chinas Versuche, sich zum 'Friedensstifter' aufzuschwingen, haben bei Xis Besuch in Moskau nicht an Glaubwürdigkeit gewonnen. Die größere Frage bleibt, ob China auch Waffen an Russland liefern wird. Das würde Putins Aggressionskrieg noch mehr zum Teil eines weltweiten Kräftemessens machen. Und auch Russlands Verfall zum Vasallen Chinas besiegeln.“
China kann Russlands Exportverlust nicht ausgleichen
Selbst wenn China künftig mehr russische Produkte abnehmen will, wird Russland unter den Sanktionen des Westens leiden, bilanziert Politikanalyst Olexandr Kotschetkow auf 24tv.ua:
„China und Russland wollen ihre wirtschaftliche und strategische Partnerschaft ausbauen. ... Allerdings kann das [russische] Möchtegern-Imperium China nur mit Energie versorgen. Bei Gas werden es 30 bis 50 Milliarden Kubikmeter pro Jahr sein, mit einem Rabatt von 50 bis 70 Prozent. Früher lieferte das Möchtegern-Imperium 150 Milliarden Kubikmeter zum Marktpreis nach Europa. In den nächsten Jahren werden das nur noch 20 Milliarden Kubikmeter sein. Das heißt, ein wirklicher Ausgleich für den verlorenen europäischen Markt ist nicht in Sicht.“
Der Westen muss wieder Kräfte sammeln
Politiken zieht Parallelen zu Maos Moskau-Besuch während des Kalten Krieges:
„Die Botschaft aus Moskau in dieser Woche war, dass die Welt erneut in zwei ideologische Blöcke gespalten ist. ... Als Mao 1957 in Moskau sprach, plagten den Westen gerade Selbstzweifel an der eigenen Fähigkeit und Stärke. Die Sowjetunion hatte Sputnik gerade als ersten Satelliten ins All geschickt, und die Vormachtstellung des Westens schien brüchig. So auch heute, wo China technologisch boomt und den Westen zu überholen droht. Aber Mao lag falsch. Der Westen hatte die Kraft, die Herausforderung durch China und die Sowjetunion zu meistern. Die haben wir diesmal auch - auch wenn der Kampf für unsere Werte wieder lang werden kann.“
China will keine Konfrontation
Xis Besuch hat bislang keine sensationellen Ergebnisse gebracht, meint der Politologe Wolodymyr Fessenko auf seiner Facebook-Seite:
„Dies gilt sowohl für die chinesischen Friedensappelle als auch für die Befürchtungen einiger Kommentatoren (oder russischerseits Hoffnungen), dass Moskau und Peking ein Militärbündnis gegen den Westen eingehen und die russische Armee chinesische Waffen und Munition erhalten wird. Es ist bezeichnend, dass die Staats- und Regierungschefs Russlands und Chinas eine gemeinsame Erklärung abgegeben haben, in der sie betonen, dass ihre Beziehungen kein militärisch-politisches Bündnis sind, keinen Block- oder Konfrontationscharakter haben und nicht gegen Drittländer gerichtet sind. Ich bin überzeugt, dass dies auf Drängen der chinesischen Seite geschehen ist.“
Russlands Isolierung ist gescheitert
Der Besuch Xis in Moskau ist für den Westen ein schwerer Schlag, analysiert The Times:
„Mit der Zementierung ihrer informellen Allianz in Moskau haben sich China und Russland diese Woche als klarer Widerpart zum westlichen Modell gezeigt. Und es gibt keine Garantie dafür, dass sich blockfreie Staaten des 'globalen Südens' auf die Seite des Westens stellen werden. ... Xis erster Besuch seit Beginn der Invasion stellt eine Herausforderung für einen Westen dar, der versucht hat, Putin zu isolieren und Russland als Schurkenstaat darzustellen. Nicht erpicht darauf, sich auch einen solchen Status einzuhandeln und sich auf den Sanktionskrieg mit den USA und der EU einzulassen, hat Xi sich sorgfältig als Friedensstifter inszeniert. Aber sein Zwölf-Punkte-Plan sagt nichts zu einem Abzug russischer Truppen von ukrainischem Territorium.“
Unkalkulierbares Bündnis
China denkt in erster Linie an sich, glaubt Pravda:
„Obwohl sie sich heute beide anlächeln, kann die Beziehung zwischen dem chinesischen Kaiser und dem russischen Zaren immer noch unberechenbare Wege nehmen. Zwar wächst die Befürchtung, dass China Waffen nach Russland schickt. Aber es ist nicht im Interesse Pekings, in den russisch-ukrainischen Konflikt hineingezogen zu werden. Zynisch formuliert: Peking ist es im Grunde egal, ob über Mariupol die russische oder die ukrainische Flagge weht. Aus seiner Sicht ist es unabdingbar, dass die kontinuierliche Versorgung mit billigem russischem Öl und anderen Rohstoffen sichergestellt ist. Und da der gegenseitige Handel zwischen Moskau und Peking wächst, kann Xi zufrieden sein.“
Putin wird zu Pekings Lukaschenka
Radio Kommersant FM sieht Moskau weltpolitisch degradiert:
„Russland ist zunehmend an seinen mächtigsten Partner in Asien gebunden. In vielen Aspekten wird es faktisch zum Rohstoff-Anhängsel und politisch gesehen zum Juniorpartner. Natürlich haben Chinas Politiker und Diplomaten genug Scharfsinn, Finesse und Takt, dies nicht unnötig zu betonen. ... Allmählich wird Moskau für Peking ungefähr zu dem, was Alexander Lukaschenkas Belarus für Moskau geworden ist. Für ein Land, das gewohnt ist, sich als Großmacht zu betrachten, keine angenehme Feststellung. Aber wenn wir Pekings und Moskaus Wirtschaftskennzahlen vergleichen und die internationale Teilisolierung des Kremls bedenken, kommt sie nicht sehr überraschend.“
Hohe Kunst der Diplomatie gefragt
Die Salzburger Nachrichten sehen Xi durchaus in der Position, Russland an den Verhandlungstisch zu bringen:
„China kann dem russischen Angriffskrieg zwar nicht den Stecker ziehen. Aber ein Stoppsignal würde nicht ohne Wirkung bleiben. Denn faktisch hängt Russland wirtschaftlich am Tropf Chinas. Xi kann Putin zu Verhandlungen überreden, so wie der Westen dies mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj tun könnte. Am Ende ist alles eine Frage der Ziele. Und da passt es (noch) nicht. Putin darf aus Pekings Perspektive nicht über ein Scheitern stürzen. Der Westen will verhindern, dass sich der Krieg für Russland lohnt. Beide Ansätze zusammenzubringen wäre die hohe Kunst der Diplomatie.“
Xi wird Putin nicht fallen lassen
De Standaard erklärt Pekings Beweggründe:
„China spürt die Folgen des Konflikts. Die Rohstoffpreise sind gestiegen, das Korn ist teuer geworden und die Sanktionen stören Vorstöße, chinesische Waren über Russland in den Westen zu bringen. ... Dennoch lässt China Putin nicht fallen. Es wäre für Xi besonders schlimm, wenn die Ukraine mit der Hilfe des Westens diesen Krieg gewinnen würde. In der neuen Weltordnung wäre die dominante Rolle der USA und ihrer Verbündeten in Europa verfestigt. Ihre westlichen Werte, die China nicht teilt, würden siegen. Russland könnte nach einer Niederlage auseinanderbrechen.“
Ein schlechtes Zeichen
Eesti Päevaleht bedrückt Xis Verhalten:
„Zu Xis umfassenderem Kalkül gehören unter anderem eine wachsende Konfrontation mit Washington in Hinsicht auf Taiwan und der Wunsch, die Einheit des Westens zu brechen. Auf der anderen Seite der Gleichung stehen aber auch die gegenseitigen Handelsbeziehungen. Unabhängig davon, wie der Besuch in der Öffentlichkeit ankommt, ist schon sein Zustandekommen ein schlechtes Zeichen. China zeigt damit demonstrativ, dass es nicht zögert, auf der Weltbühne seine Muskeln spielen zu lassen. Demokratische Länder haben jedoch so gut wie nichts von einer Machtdemonstration eines autokratischen Staates zu gewinnen.“
Versuch, Stärke zu zeigen
Russland braucht China dringender als umgekehrt, stellt El Periódico de Catalunya fest:
„Auf den Haftbefehl gegen Wladimir Putin folgten zwei Ereignisse, die sehr wichtig sind, um den Eindruck der Isolation des russischen Präsidenten zu widerlegen: ein Besuch in Mariupol und das gestrige Treffen mit Xi Jinping. Putin musste seine Bewegungsfreiheit beweisen und gleichzeitig die Dimensionen seiner strategischen Allianz mit China betonen. ... Präsident Xi kann den Plan der wirtschaftlichen Expansion im Globalen Süden auch alleine verfolgen, während Russland China als Krücke und als einen internationalen Vermittler braucht, der bereit ist, das Geschäft von der Ukraine-Krise zu trennen.“
Zusammenarbeit als Drohung
Das Treffen zeigt anschaulich, wie absurd die Vorstellung ist, China könne im Ukraine-Krieg vermitteln, meint die Süddeutsche Zeitung:
„Noch einmal, für alle ... : In Moskau sitzen freundschaftlich zusammen ein vom Internationalen Strafgerichtshof mit Haftbefehl gesuchter mutmaßlicher Kriegsverbrecher und der Diktator eines Landes, dem ein Bericht der Vereinten Nationen vom vergangenen Sommer mutmaßliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit bescheinigt. Und diese beiden verhandeln die nächsten Schritte auf dem Weg zu einer neuen Weltordnung. China werde 'mit Russland zusammenarbeiten', sagte Xi nach seiner Landung in Moskau, um 'das internationale System, die internationale Ordnung zu schützen'. Verziehen sei all jenen, in deren Ohren das wie eine Drohung klingt.“
Verbal unterwirft sich Russland bereits
Journalist Stanislaw Kutscher staunt in einem von Echo übernommenen Telegram-Post über die neue These russischer Propagandisten, Russland solle besser "ein Vasall Chinas statt der USA sein":
„Die Option eines unabhängigen und autarken Russlands scheint von den 'Kreml-Strategen' gar nicht mehr in Betracht gezogen zu werden. ... In all den Jahren des Putinismus bemerke ich im russischen Informationsraum zum ersten Mal eine solche Apologetik der offensichtlich angeschlagenen weltpolitischen Rolle Russlands. Noch gestern haben sich all diese 'Politologen' das Maul darüber zerrissen, wie 'die russische Welt' der Menschheit eine neue Agenda diktiere und 'die Ukraine den Amerikanern gehorcht'. Heute rufen sie dazu auf, sich China quasi zu unterwerfen.“