Belarus: Was ist los mit Lukaschenka?
Seit Tagen wird über eine schwere, möglicherweise tödliche Krankheit des belarusischen Machthabers Lukaschenka spekuliert: Bei den Feierlichkeiten am 9. Mai in Moskau war er in sichtlich schlechter Verfassung. Danach verschwand er für fast eine Woche ganz. Am Montag besuchte er dann - bleich und mit krächzender Stimme - die Luftabwehr. Kommentatoren fragen sich, was auf einen Abgang Lukaschenkas folgen würde.
Abgang könnte riskante Prozesse auslösen
Man muss sich auf eine Veränderungsdynamik nach einem Tode Lukaschenkas einstellen, rät wPolityce.pl:
„Es ist von einem Herzinfarkt die Rede, und die Oppositionsführer Swetlana Tichanowskaja und Pawel Latuschka bereiten sich auf den Tod des Statthalters vor. ... Das Paradoxe an der ganzen Situation ist, dass der derzeit international nicht anerkannte Diktator der Garant für die Stabilität in Belarus zu sein scheint, und sein Abgang den Beginn dynamischer und daher riskanter Szenarien markieren könnte. Es besteht kein Zweifel, dass der Moment kommen wird, in dem die offiziellen belarusischen Medien Lukaschenka betrauern werden, und darauf sollten wir vorbereitet sein.“
Moskau will die Macht in Minsk
Visão meint, dass Putin von einem geschwächten Gesundheitszustand Lukaschenkas profitieren könnte:
„Es kursieren alle möglichen Szenarien: dass er vergiftet wurde, dass er tot ist, dass er einen Schlaganfall erlitten hat, dass er in einem tiefen Koma liegt. Sicher ist, dass es für Moskau sehr erstrebenswert wäre, die Macht in Minsk direkt zu übernehmen und insbesondere die militärische Führung, die sich weigert, in die Ukraine einzumarschieren, aus dem Weg zu räumen. … In der alten sowjetischen Tradition lag das Schicksal der Führer immer in den Händen der Partei - die ist in diesem Fall Putin.“
Der Sekt steht wohl schon kalt
Iryna Chalip, Belarus-Korrespondentin von Nowaja Gaseta Ewropa, konstatiert Vorfreude im Land:
„Niemand weiß genau, was mit Lukaschenka los ist. Das ist auch nicht das Wichtigste, so seltsam das scheinen mag. Was zählt, ist die Reaktion der Belarusen: die in den letzten unerträglichen Jahren vergessene Freude, bissige Witze und Kommentare, Andeutungen auf bald zu öffnenden Sekt. Selbst diejenigen, die davon träumten, dass Lukaschenka vor Gericht kommt und dann lange lebt - natürlich im Gefängnis - sind bereit, auf diesen Prozess zu verzichten. ... Wäre ich Lukaschenka, würde ich schon an der Einsicht in das Ausmaß des Hasses der Menschen und der Hölle, in die das Land geraten ist, krepieren. Man kann unmöglich leben, wenn man weiß, wie sehr einen Millionen hassen und dass der Tag deines Todes für alle ein Feiertag sein wird.“