Wagner: Warum gerade nach Belarus?
Nach dem abgebrochenen Marsch auf Moskau erhalten die Wagner-Söldner die Option, wie ihr Chef Jewgeni Prigoschin straffrei nach Belarus zu gehen, wenn sie sich nicht den regulären russischen Truppen anschließen wollen. Der Aufstand soll nicht zuletzt auf Vermittlung des belarusischen Machthabers Lukaschenka beendet worden sein. Kommentatoren erörtern, was eine Wagner-Verlagerung nach Belarus bedeuten würde.
Neuer Handlungsspielraum für den Instinktpolitiker
Für El País ist Lukaschenka der Gewinner des Wagner-Aufstands:
„Der beste Riecher in Europa. Dies ist zweifellos die Qualität des belarusischen Präsidenten Alexander Lukaschenka, eines Politikers mit einem ausgeprägten Überlebensinstinkt. Er nimmt nun wieder die Vermittlerrolle ein, die er in der Vergangenheit gespielt hat. ... Lukaschenka pflegte diese mäandernde Politik schon bis zum harten Durchgreifen nach den Präsidentschaftswahlen 2020. ... Damals hatte der belarusische Staatschef die Bedingungen des Kremls akzeptiert und diesen auch bei der Invasion der Ukraine unterstützt. Prigoschin hat ihm nun neuen Handlungsspielraum gegeben. Und es bleibt abzuwarten, ob die Wagner-Streitkräfte ihre Aktionskraft nun in den Dienst Belarus' stellen.“
Lukaschenka sieht die Söldner als Gefahr
Nowaja Gaseta Ewropa sieht keinen Platz für Wagner in Belarus - und begründet dies mit der Verhaftung von 32 Wagner-Söldnern, die man dort im Krisen-Sommer 2020 für potenzielle Aufrührer hielt:
„Als Prigoschin drei Jahre später über Nacht zum Hauptgegner des Kremls wurde und weltweit Schlagzeilen machte, beeilte sich Lukaschenka, von seiner langjährigen Bekanntschaft mit ihm zu reden. Deshalb sollte man sich nicht zu Behauptungen hinreißen lassen, nun würde Prigoschins gesamte Söldnertruppe nach Belarus kommen. Wenn Lukaschenka so viel Angst vor 30 Leuten hatte, würde er sich lieber eine Hand abhacken, als diese gesetzlose Heerschar auf seinem Gebiet zu akzeptieren. Prigoschin persönlich - kein Problem.“
Straffreiheit und Verstärkung
Von der Option für Wagner-Kämpfer, in Belarus zu dienen, haben beide Seiten der Auseinandersetzung etwas, heißt es bei Mediafax:
„Die Rebellion ist mit einer Win-Win-Situation zu Ende gegangen. Die Wagner-Söldner werden nicht strafrechtlich verfolgt und dienen weiter gegen Bezahlung - jetzt aber mit einem regulären Vertrag bei der Armee, also als Untergebene von [Verteidigungsminister] Schoigu und [Generalstabschef] Gerassimow. Die Mehrheit von ihnen wird aber nach Belarus gehen, wo sie lokale Militärkräfte ausbilden, die Verteidigungsanlagen an der Grenze zu Polen verstärken und die Atomwaffen bewachen sollen, die von Russland dorthin verlagert werden. ... Tausende von Wagner-Söldnern arbeiten jetzt praktisch für Lukaschenka.“
Schlimmer als die russischen Atomwaffen
Rzeczpospolita ist äußerst besorgt über die Wagner-Einheiten im Nachbarland:
„Die Stationierung von mindestens zehntausend bis an die Zähne bewaffneten Prigoschin-Söldnern, die innerhalb weniger Stunden die Millionenstadt Rostow am Don besetzten, in Belarus wäre eine schlechte Nachricht. Schlimmer als die Stationierung der taktischen Atomwaffen. Der belarusische Diktator bekäme eine Truppe an die Hand, mit der er mögliche Proteste oder Unruhen unterdrücken könnte, ohne seine eigenen Sicherheitskräfte einzuschalten. Außerdem wäre dies ein neues Instrument für das Regime in den Beziehungen zu seinen 'feindlichen' Nachbarn.“