EU-Migrationspolitik: Polen und Ungarn gegen den Rest
Das Gezerre um Europas Migrationspolitik geht weiter: Polen und Ungarn wollten auf dem am Freitag abgebrochenen EU-Gipfel eine vorbereitete Abschlusserklärung nicht unterzeichnen. Sie sehen es als Eingriff in ihre Souveränität, dass die Aufnahme von Flüchtlingen künftig verpflichtend sein soll und Staaten, die sich widersetzen, Strafzahlungen leisten müssen. Verhindern können sie die Neuregelung von Anfang Juni allerdings nicht.
Polen blamiert sich im Wahlkampf
Rzeczpospolita hält die Blockade für ein unkluges Manöver:
„Wir signalisieren unseren anderen Partnern in der EU, dass wir im Wahlkampf in der Lage sind, jede Dummheit zu begehen. Ein Referendum über ein Gesetz anzukündigen, das noch nicht endgültig verabschiedet worden ist. Und vor allem, ein Bündnis mit Putins erklärtem Verbündeten in Europa einzugehen. Die Verluste für das politische, aber auch für das moralische Kapital Polens dürften gigantisch ausfallen. Und die Gewinne? Sind sehr zweifelhaft.“
Ungarn ist Polens nützlicher Idiot
Népszava sieht niemanden, der in dieser Debatte wirklich auf der Seite Ungarns stehen würde:
„Wenn es im Europäischen Parlament zu einer Einigung kommt, wird diese dann trotz allem in die Praxis umgesetzt werden. ... Das meiste, was die Regierung mit ihrem großen Widerstand erreichen konnte ist, dass sie sich noch weiter von Giorgia Meloni entfernt hat. Sie versuchte zwar, auf dem Gipfel zwischen der Europäischen Kommission und Orbán zu vermitteln, aber auch sie hat eindeutig die Position der EU vertretet. ... Niemand steht auf unserer Seite, nicht mal Polen: Im Warschauer Wahlkampf wurden wir zu den nützlichen Idioten von [PiS-Chef] Kaczyński.“
Kein Vertrauen in Zusicherungen der EU
wPolityce zeigt Verständnis dafür, dass mögliche Kompromisse wie eine Ausnahmeregelung für Länder, die mehr als eine Million Flüchtlinge aufgenommen haben, Warschau nicht umstimmen konnten:
„Verzweifelte Versuche, uns zuzusichern, dass wir einige ermessensabhängige Ausnahmeregelungen 'beantragen' können, konnten keine Bedenken ausräumen. Wir haben dieses 'Entgegenkommen' und diese 'faire Behandlung' bereits bei den Justizreformen, beim Wiederaufbauplan und bei den Versuchen, die polnische Energiewirtschaft zu zerstören, erlebt.“
Risse durch Visegrád-Allianz - zum Glück
Deník N lobt, dass sich Tschechien diesmal deutlich von Polen und Ungarn abgegrenzt hat:
„Für die Tschechische Republik stellt das Abkommen eine Chance dar, den desaströsen Ruf zu korrigieren, den sie 2015 und in den Folgejahren auf europäischem Boden hinterließ. Als sie sich jeglicher Hilfe für jene Länder verweigerte, die damals mit der Migrationskrise zu kämpfen hatten. Das war eines der beschämendsten Kapitel in der Geschichte unserer postrevolutionären Diplomatie und Außenpolitik. Der konstruktive Ansatz der aktuellen tschechischen Regierung ist richtig und umso wichtiger, weil er im Gegensatz zur polnischen und ungarischen Haltung steht. Wir müssen Europa deutlich machen, dass die Visegrád-Staaten kein Monolith postkommunistischer Kleingeistigkeit sind.“
Solidarität ist keine Einbahnstraße
Sollten Ungarn und Polen tatsächlich die Ausgleichszahlungen verweigern, muss es harte Konsequenzen geben, fordert der Spiegel:
„Konkret: Verfahren wegen der Verletzung der EU-Verträge und eine weitere Kürzung von EU-Geldern. Und zwar genau um jenen Betrag, die Polen und Ungarn anderen Ländern für die Aufnahme von Asylbewerbern schuldig sind. ... [M]an [sollte] in Budapest und Warschau nicht vergessen: Andere Länder könnten künftig auch Beschlüsse blockieren, von denen Ungarn und Polen profitieren. Gerade Polen ist angesichts der Bedrohung durch Russland auf die Solidarität anderer EU-Staaten, darunter Deutschland, angewiesen.“