Amazonas-Gipfel: Europa in der Pflicht?
Die acht Amazonas-Anrainerstaaten haben sich auf ihrem Gipfel zum Erhalt des Regenwalds bekannt und fordern dafür weltweite Finanzierungshilfen. Konkrete Abholzungsziele bleiben jedoch Sache der einzelnen Staaten und zu einer gemeinsamen Erklärung, die Kohle-, Öl- und Gasförderung im Amazonasgebiet zu drosseln, kam es nicht. Europas Presse ist enttäuscht, betont aber auch die Verantwortung der Industriestaaten.
Kaum mehr als Gezeter und Floskeln
Il Manifesto vermisst konkrete Ergebnisse:
„Lauter hochtrabende Erklärungen und selbstgerechte Klagen gegen den Neokolonialismus. ... Die Erklärung von Belém ist ein Meisterwerk der Unbestimmtheit: Sie enthält keine konkreten Ziele für den Kampf gegen die Entwaldung und vermeidet es, Beschränkungen für die Erdölförderung, den Bergbau und die Ausdehnung der landwirtschaftlichen Grenzen festzulegen. So verpflichtet die Erklärung zwar die acht Länder der Amazonas-Kooperation, gemeinsam den so genannten 'Point of no Return' zu vermeiden. ... Doch die von Lula für Brasilien bis 2030 versprochene 'Null-Abholzung' wird gerade mal als 'Ideal' definiert, das irgendwann einmal erreicht werden soll.“
Industrienationen müssen zahlen
Die EU sollte sich die Vorschläge aus Südamerika genau anhören, empfiehlt die taz:
„Zum Beispiel diesen: Lula pocht auf jährliche Zahlungen der Industrienationen in Höhe von 100 Milliarden US-Dollar, damit Länder wie Brasilien ihre Abholzung reduzieren können. Das wurde bereits auf der Weltklimakonferenz im Jahr 2009 beschlossen. Passiert ist bisher nichts. Auch Kolumbiens Präsident Gustavo Petro drängt auf radikalere Schritte. Er forderte eine Strategie nach dem Vorbild des Marshallplans: Entwicklungsländern sollen im Gegenzug zu Klimaschutzmaßnahmen ihre Auslandsschulden erlassen werden. Zahlen für den Klimaschutz? Ja, es ist nur logisch, dass die Industrienationen in die Tasche greifen. Denn sie sind die Hauptverursacher der Erderwärmung.“
Last auf mehr Schultern verteilen
Den Regenwald zu retten, ist eine Aufgabe der ganzen Welt, mahnt De Standaard:
„Das Problem mit dem Schutz des Regenwaldes ist, dass Nutzen und Kosten nicht symmetrisch verteilt sind. Die ganze Welt hat ein Interesse am Erhalt der Biodiversität und CO2-Aufnahmekapazität, aber die Aufgabe, Bauern, Holzhändler und Goldgräber zu stoppen, muss eine kleine Gruppe von Ländern schultern. ... Lula findet, dass eine finanzielle Entschädigung für den Erhalt der Natur angebracht ist. Damit hat er Recht.“
Menschheit nicht der Wirtschaft opfern
Dass Emmanuel Macron trotz der Lage des Überseedepartements Französisch-Guayana im Amazonas-Gebiet nicht nach Belém reiste, kann Libération nicht nachvollziehen:
„Ein unverständliches Fehlen, wenn man weiß, welche Bedeutung diese Region hat. Man kann nicht aufrichtig behaupten, besorgt um die Herausforderungen im Umweltbereich zu sein, und einem solchen Treffen fernbleiben. ... [Es geht um die Verteidigung] einer Weltanschauung, die die Menschheit auf lange Sicht nicht den Gewinnen aus Erdöl, Bergbau oder Landwirtschaft opfert, welche nur den Überkonsum und die Erschöpfung der natürlichen Ressourcen begünstigen.“