Republikaner wählen Hardliner Johnson zum Speaker
Mike Johnson ist zum neuen Speaker des US-Repräsentantenhauses gewählt worden. Nach mehreren gescheiterten Abstimmungsversuchen für andere Kandidaten erreichte der Trump-Anhänger am Mittwoch eine ausreichende Mehrheit. Somit kann Mitte November ein neuer US-Haushalt verabschiedet werden. Die Wahl hat auch weitreichende Konsequenzen für Europa, finden Kommentatoren.
Ukraine keine Priorität mehr
Nach der Wahl von Johnson sorgt sich Diena vor allem um die künftige Unterstützung der Ukraine:
„Unmittelbar nach seiner Wahl hielt der Politiker eine Rede, in der er seine Prioritäten als Sprecher des Repräsentantenhauses darlegte. Johnson kündigte an, dass seine erste Initiative darin bestehen werde, Israel zu unterstützen. Als weitere Prioritäten nannte er die Sicherheit der US-Grenzen sowie den Kampf gegen die Ausbreitung von Drogen und Kriminalität in den USA. Die Ukraine wurde überhaupt nicht erwähnt, was zeigt, dass Befürchtungen über einen deutlich spürbaren Rückgang der US-Unterstützung für Kyjiw wahr werden könnten.“
EU muss für die USA einspringen
Europa muss in der Waffenproduktion einen Gang höher schalten, fordert Dagens Nyheter:
„Die USA sind eine Supermacht mit einem großen Arsenal. In Europa mangelt es an Vorräten und die Produktionskapazitäten unter anderem für Munition sind begrenzt. Darauf könnte man vielleicht zunächst hinweisen. Aber das BIP der EU ist das dritthöchste der Welt und fast neunmal höher als das Russlands. Europa verfügt über die wirtschaftlichen und industriellen Voraussetzungen, um Kyjiw zum Sieg zu führen, es fehlt nur noch der Wille, den Gang zu wechseln. Das sollte auch passieren, denn es ist unser Kontinent, über den Putin herrschen will. ... Europa hatte viel Zeit, die Produktion anzukurbeln - jetzt wird sie knapp.“
Wenig Zeit zur Eingewöhnung
Die Herausforderung, die zutiefst zerstrittenen Lager im Haifischbecken der US-Politik zusammenzubringen, ist enorm groß, glaubt The Times:
„Johnson wird schnell das Schwimmen in solch gefährlichen Gewässern lernen müssen. Er muss auch die Verantwortlichkeiten des Kongresses in seiner Gänze verstehen. Parteistreitigkeiten helfen hier niemandem, außer Trump. Sie könnten Gesetze zunichtemachen, die die Wirtschaft am Laufen halten und für Amerikas globale Rolle unerlässlich sind. Jung, unerfahren und in ein Amt katapultiert, das er gar nicht auf dem Schirm hatte, bleibt Johnson wenig Zeit, sich einzugewöhnen. Er hat eine Position inne, die die Richtung der amerikanischen Wirtschaft und die Kraft des amerikanischen Einflusses im Ausland mitbestimmen kann.“
Die Stunde der Wahrheit schlägt schon bald
Die Bewährungsprobe lässt nicht lang auf sich warten, erklärt die Stuttgarter Zeitung:
„Unmittelbar wartet auf Johnson ein 106-Milliarden-Dollar-Hilfepaket mit Mitteln für Israel, die Ukraine, humanitäre Aufgaben und die Grenzsicherung. Da wird er Farbe bekennen müssen, ob er auf der Seite bedrohter Demokratien steht. Die Stunde der Wahrheit schlägt am 17. November, wenn die Haushaltsmittel auszugehen drohen. Dann muss der neue Speaker zeigen, ob er die Quadratur des Kreises schafft. Andernfalls blüht ihm dasselbe Schicksal wie Kevin McCarthy, den ein harter rechter Kern für seine Bereitschaft absetzte, mangels Unterstützung in den eigenen Reihen einen Übergangshaushalt mit den Stimmen der Demokraten zu beschließen.“
Keine Kompromissfähigkeit erwarten
Auch wenn Johnson versprochen hat, eine 'gemeinsame Basis' mit den Demokraten finden zu wollen, darf man sich nicht täuschen lassen, warnt The Independent:
„Johnson ist Trumps neuer Mann in Washington. Wem diese Tatsache nicht schon genug Angst macht, der sollte einen Blick auf Johnsons Abstimmungsverhalten werfen. Er stimmte dafür, das Wahlergebnis von 2020 zu kippen, er unterstützt ein landesweites Abtreibungsverbot, ist gegen die gleichberechtigte Ehe und wollte letztes Jahr eine nationale Version von Floridas 'Don’t Say Gay'-Gesetz einführen. Er hat die Transgender-Gesundheitsversorgung angegriffen, leugnet den Klimawandel und ist gegen die Hilfe für die Ukraine. ... Das ist ein Mann, für den Gleichheit nur gilt, wenn die anderen so aussehen und denken wie er selbst.“