Braucht die Ukraine mehr Hilfe?
Nachdem die Gegenoffensive bereits ins Stocken geraten ist, steht die Ukraine auch abseits der Front vor mehreren Problemen. Der US-Kongress weigert sich, neue Finanzhilfen für Kyjiw zu bewilligen. Ungarn möchte die weitere Ukraine-Hilfe der EU nicht wie geplant auf dem Gipfel im Dezember besprechen. Bereits beschlossene Unterstützung steckt fest, Munitionslieferungen verzögern sich. Für Europas Presse ein No-Go.
Dieser Winter macht Unterstützung noch wichtiger
Wir dürfen die Ukraine jetzt nicht im Stich lassen, appelliert Tygodnik Powszechny:
„Im dritten Kriegswinter - der diesmal abrupt begonnen hat, mit abwechselnd Schneestürmen und Schneeschmelze; tagsüber plus 10, nachts unter Null - sind die Verteidiger vielleicht sogar noch mehr auf Hilfe angewiesen als vor einem Jahr.“
Albtraum: Putin gewinnt und Trump regiert
Mehr Hilfe für Kyjiw ist im eigenen Interesse der EU, betont El País:
„Russland hat eine enorme Erosion erlitten, aber es hat sich militärisch neu aufgestellt. ... Es könnte schwerwiegende Folgen haben, jetzt bei der Hilfe für Kyjiw nachzulassen. ... Die Ukraine verdient Unterstützung. Das ist auch im Interesse der EU im Hinblick auf ihre künftige Erweiterung. Das Land hat ernsthafte interne Probleme. Es muss angesichts der Korruption seine Demokratie stärken. ... Es wäre ein schwerer Fehler, Russland wegen seiner anfänglichen Misserfolge zu unterschätzen. ... Allein die Vorstellung, dass Putin Boden gewinnt und Trump ins Weiße Haus zurückkehrt, sollte jeden in der EU davon überzeugen, die Ukraine weiterhin zu unterstützen.“
Russland muss endlich gestoppt werden
Es wäre ein fataler historischer Fehler, bei der Hilfe für Kyjiw zu zögern und sich nur auf die USA zu verlassen, warnt NRC:
„Putins Terrorkampagne geht viel weiter als das Fortbestehen der Ukraine und das Schicksal von rund 40 Millionen Bürgern. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass Russland aufhört, wenn es sein Nachbarland eingenommen hat. Die alarmierenden Berichte über die anhaltende russische Bedrohung scheinen noch immer nicht voll durchzudringen in den europäischen Hauptstädten. Staaten und Industrie arbeiten noch immer nicht ausreichend zusammen bei der Produktion von Waffen und Munition. ... Mit der unbegrenzten Fortsetzung der amerikanischen Unterstützung zu rechnen, wäre ein Beweis von Naivität. “
Fokus der Politik weiterhin vorhanden
Europas Unterstützung für Kyjiw ist nicht verschwunden, erklärt Politologe Bernardo Pires de Lima in Visão:
„Der Europäische Rat wird hoffentlich noch in diesem Jahr die Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine offiziell eröffnen und diskutiert bereits über die Kanalisierung der eingefrorenen russischen Gelder für den ukrainischen Kriegseinsatz, über eine neue Runde von Sanktionen gegen Russland und vor allem über die endgültige Beendigung der zwielichtigen russischen Öl- und Gaslieferungen an die europäischen Märkte, die die objektiven Quellen der Militärfinanzierung Moskaus sind. Dass die Ukraine aus den Nachrichten verschwunden ist, bedeutet nicht, dass sie für den Westen strategisch bedeutungslos geworden ist.“
Medien sollten sich gut überlegen, was sie schreiben
Putins Chancen, den Krieg zu gewinnen, sähen zunehmend realistisch aus, schreibt The Economist - was La Repubblica erbost:
„Wir sind in Europa Gegenstand eines asymmetrischen Krieges, der auch die Information betrifft. Die Annahme, dass Russland gewinnt, ist nicht nur eine falsche Analyse, sondern birgt auch die Gefahr, die Unterstützung für die Ukraine in einer besonders schwierigen und heiklen Zeit zu schwächen. ... In Wirklichkeit bieten wir dem Kreml-Zaren eine Stütze, der davon überzeugt ist, dass er auf Zeit spielen kann, indem er auf die 'Müdigkeit' des Westens setzt und auf eine eventuelle Wiederwahl Donald Trumps wartet. ... Es scheint, dass wir noch nicht erkannt haben, dass wir indirekt an einem Krieg beteiligt sind, der für die Zukunft der europäischen Sicherheit entscheidend ist.“