Vorwahlen in New Hampshire: Rennen gelaufen?
Donald Trump bleibt auch nach der Vorwahl in New Hampshire der Favorit für die Kandidatur der Republikaner für die US-Präsidentschaftswahlen im November. Er besiegte seine Konkurrentin Nikki Haley mit elf Prozentpunkten Vorsprung. Haley setzt nun auf die Vorwahl in ihrer Heimat South Carolina. Europas Presse drängt dazu, bereits jetzt an die Zeit nach November zu denken.
Große EU-Staaten in der Verantwortung
Selbst wenn die USA – wie von Trump angedroht – nicht einfach aus der Nato austreten könnten, sollte man doch auf alles vorbereitet sein, warnt Dnevnik:
„Er könnte das Bündnis praktisch zum Einsturz bringen, indem er die US-Beiträge reduziert, sich von Militärübungen und anderen gemeinsamen Initiativen zurückzieht und die Nato mit seiner Rhetorik verspottet und verunglimpft. So könnte er tatsächlich ihr Ende herbeiführen. Die größeren EU-Länder sollten sich auf dieses Szenario einstellen und sich auf alternative Projekte für Sicherheit, Schutz und Integration der Ukraine sowie der Abschreckung von Russland vorbereiten.“
Diesmal nicht überraschen lassen
Je schneller sich die Republikaner entscheiden, desto weniger Ausreden haben die US-Partner in Europa, meint Financial Times:
„Als Donald Trump 2016 die US-Präsidentschaftswahl gewann, reagierten Amerikas Verbündete auf der ganzen Welt mit Bestürzung und Schock. Sie werden keine solche Entschuldigung haben, wenn er im November erneut gewinnt. Sein Sieg bei den Vorwahlen in New Hampshire macht ihn zum nahezu unvermeidlichen Präsidentschaftskandidaten der Republikaner. Es ist also durchaus möglich, dass ein unberechenbarer Isolationist ins Weiße Haus zurückkehrt. Dass sich Trump die Nominierung schon so früh sichern konnte, gibt den US-Verbündeten wenigstens fast ein Jahr Zeit, sich auf dieses Szenario vorzubereiten.“
Stoppt den Medien-Hype
Der Ex-Präsident wird am Ende erneut gegen Biden verlieren, ist Kolumnist Robert Reich in The Guardian überzeugt:
„Die Schlagzeilen lesen sich alle gleich: 'Trump dominiert.' 'Diszipliniert.' 'Rücksichtslos.' 'Äußerst effektiv.' 'Bemerkenswert.' ... Das ist gefährlicher Unsinn. Die Gefahr bei dieser ehrfürchtigen Berichterstattung der Mainstream-Medien über Trump besteht derzeit darin, dass sie den falschen Eindruck erweckt, Trump sei bei seinem Marsch ins Weiße Haus nicht aufzuhalten. Doch niemand sollte Trumps Leistung bei den Vorwahlen der Republikaner mit einem Erfolg bei der Präsidentschaftswahl verwechseln. Sobald diese Richtungsentscheidung für die US-Bürger tatsächlich zum Thema wird und sie zwischen Biden und Trump wählen müssen, werden sie sich wohl erneut für Biden entscheiden.“
Moskau würde Trumps Sieg kaum nützen
Die staatliche Nachrichtenagentur Ria Nowosti bezweifelt, dass Russland von Trump als Präsident profitieren würde:
„Während seiner ersten Präsidentschaft hat er nichts getan, was die Beziehungen zu Russland verbessert hätte. ... Schaut man bei Trumps Versprechen, den Konflikt in der Ukraine an einem Tag zu beenden, genauer hin und nicht nur auf die erfreuliche Schlagzeile, wird auch klar, dass jede Vorfreude verfrüht wäre. Tatsache ist, dass Trump noch kein Wort darüber verloren hat, wie genau er den Konflikt beenden will oder welche Bedingungen er Russland für einen 'Deal' anbieten will. Und so manches deutet darauf hin, dass diese Bedingungen für die USA völlig zufriedenstellend sein werden, während niemand auf die Idee kommen wird, Russland vorher um seine Meinung zu bitten.“
Vor März ist alles entschieden
Trumps Kandidatur steht für Revista 22 so gut wie fest:
„Die bevorstehende Vorwahl in South Carolina findet im Heimatstaat der früheren US-amerikanischen UN-Botschafterin Nikki Haley statt. Dort führt Trump derzeit mit 30 Prozentpunkten - ein Vorsprung, der sich wahrscheinlich noch vergrößern wird. Bleibt dieser große Abstand bestehen, bleibt Haley wohl nur der Ausstieg aus dem Rennen, denn es gibt keinen Grund, bei minimalen Gewinnaussichten eine Menge Geld auszugeben. Somit ist sehr wahrscheinlich, dass Trump die Nominierung lange vor dem Super Tuesday am 5. März gewinnen wird.“
Nikki Haley ist noch nicht abgeschrieben
Nikki Haley bleibt aus gutem Grund im Rennen, analysiert Habertürk:
„Es gibt zwei wichtige demografische Gruppen, bei denen Trump immer noch schwächelt: Frauen, die in privilegierten Vorstadtvierteln leben, und Hochschulabsolventen. Diese Wählergruppen, die 2016 für Trump und gegen Clinton stimmten, veränderten 2020 den Wahlausgang, als sie Biden bevorzugten. ... Haley könnte eine Vizepräsidents-Kandidatin sein, die auf die Zweifel dieser Wähler eingeht. Wenn Trump sieht, dass sie ihm nützen kann, wird er ihr dieses Amt anbieten. ... Haley stellt auch eigene Rechnungen an. Selbst wenn sie Trump nicht schlagen kann, bleibt sie im Rennen, weil sie die Möglichkeit in Betracht zieht, dass er irgendwie kein Kandidat werden könnte. Trump hat viele Klagen am Hals.“
Gute Stimmung im Weißen Haus
Das Wahlkampfteam um Biden wird sich über den Ausgang in New Hampshire aus verschiedenen Gründen freuen, glaubt Corriere della Sera:
„Donald Trumps klarer Sieg bei den Republikanern macht die Nominierung dieses Kandidaten, den Joe Biden für leichter zu schlagen hält, fast unvermeidlich. Gleichzeitig zeigt der Anteil der von Nikki Haley gesammelten Zustimmung, dass der Republikaner-Anführer bei den unabhängigen Wählern, die für den Sieg bei der Wahl im kommenden November entscheidend sind, wenig beliebt ist. Dies ermöglicht es der ehemaligen Gouverneurin von South Carolina, den Vorwahlkampf fortzusetzen, wodurch sie Trump zwingt, seine Wahlkampfressourcen im innerparteilichen Streit zu verheizen.“
Trumps Kalkül könnte aufgehen
Der mögliche Erfolg Trumps bei den Vorwahlen könnte Einfluss auf seine Gerichtsverfahren ausüben, prophezeit Le Figaro:
„Donald Trump wird die Vorwahlen wahrscheinlich schon beendet haben, bevor die Zeit der Gerichtsprozesse beginnt. Die Auswirkungen der Ersteren auf die Zweiten sind nicht zu leugnen. Der Supreme Court, der über die von Colorado und Maine verhängte Nichtwählbarkeit des ehemaligen Präsidenten entscheiden muss, wird nicht mehr abstrakt urteilen, wenn Trump erst einmal der gewählte Kandidat ist. Das ist zweifellos Trumps Kalkül, aber es bleibt auch die große offene Frage seines Wahlkampfes.“
Innere Schwäche macht aggressiv
Trumps Verbalattacken sind ein Zeichen von Unsicherheit, so Irish Examiner:
„Wie ein römischer Kaiser oder Mafiaboss nutzte Trump seine Siegesrede in New Hampshire, um seine früheren Gegner zu demütigen – und wüste Drohungen gegen seine letzte Rivalin bei den Vorwahlen auszuteilen. ... Trump hätte nach seinem Sieg großmütig sein und Haley zu einem gut gelaufenen Rennen gratulieren können. Stattdessen war er sichtlich über ihre Weigerung verärgert, aus dem Rennen auszusteigen. Kleinlich und rachsüchtig, agierte er wie der Spielplatz-Bully, der zur Freude des Publikums, das sich an metaphorischer Gewalt ergötzt, zu Schlägen ausholt. ... Aber wie bei vielen Bullys war Trumps ostentative Demonstration von Stärke ein Zeichen innerer Schwäche.“