Dem UN-Palästina-Hilfswerk den Geldhahn zudrehen?
Die USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und weitere Staaten haben die Finanzierung des UN-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) ausgesetzt, auch die EU erwägt dies. Israel hatte Informationen vorgelegt, wonach zwölf Mitarbeiter des Hilfswerks in den Angriff der islamistischen Hamas am 7. Oktober verwickelt gewesen sein sollen. Das Wall Street Journal zitiert Geheimdienstberichte, laut denen jeder zehnte UNRWA-Beschäftigte Verbindungen zu Terrororganisationen haben soll.
Lauter falsche Signale
Die Aussetzung von Mitteln für das UNRWA durch die Niederlande ist unverantwortlich, klagt NRC:
„Über die Köpfe der ohnehin schwer getroffenen Bürger hinweg geopolitische Entscheidungen zu treffen, ist falsch. ... Was den Schritt noch schlimmer macht, ist, dass die niederländische Regierung weiß, wie wichtig das UNRWA für die Bürger des Gazastreifens ist. ... Dass die niederländische Regierung die Unterstützung für das UNRWA einfach so aussetzte, ist ein falsches Signal für andere Geberländer, die jetzt auch Bedingungen an ihre Hilfe knüpfen könnten. Es ist ein falsches Signal für mutige Helfer. Und ein falsches Signal für die Bevölkerung von Gaza.“
2026 sollte Schluss sein
Auch wenn die Auflösung der UNRWA am Ende unausweichlich ist, sollte diese ohne Überstürzung vorbereitet werden, so Der Standard:
„Die UNRWA wurde 1949 als temporäres Hilfsprogramm gegründet. Sie war nie als Langzeitprojekt konzipiert und muss alle drei Jahre verlängert werden. Nun ist sie selbst Teil des Problems geworden, von diesem Skandal wird sie sich nicht mehr erholen. Sie kann trotz ihrer enormen Hilfsleistungen keine Zukunft mehr haben. Das Hilfswerk aber sofort aufzulösen wäre angesichts des Krieges in Gaza fatal. Sein aktuelles Mandat läuft noch bis Juni 2026. Bis dahin könnte man die UN-Hilfe für die Palästinenser auf neue Beine stellen. Dann aber sollte die UNRWA Geschichte sein.“
Guterres hat sich disqualifiziert
Dem Uno-Generalsekretär fehlt die Glaubwürdigkeit, um den Skandal aufzuklären, meint der Spiegel:
„Schon kurz nach den Hamas-Attentaten verärgerte er viele Menschen in Israel, als er vor dem Uno-Sicherheitsrat feststellte, die Attacken der Hamas seien nicht 'in einem Vakuum' geschehen. ... Die Uno-Generalversammlung erließ nach den Attentaten Resolutionen, die von Israel kritisiert und von der Hamas begrüßt wurden. Unter Guterres Führung schwieg die Uno-Frauenorganisation über Monate zur sexualisierten Gewalt der Hamas, obwohl sie sich sonst geschlechtersensibel zu jeder Ungerechtigkeit äußert. Wenn es um Israel geht, pflegt Guterres einen taktischen Umgang mit der Wahrheit. Die Uno muss den UNRWA-Skandal jetzt lückenlos aufklären. Am besten mit einem neuen Generalsekretär.“
Keine Kollektivbestrafung
Politiken ist gegen einen Zahlungsstopp:
„Sollte die internationale Unterstützung für UNRWA ausgesetzt werden, wie es die USA, Deutschland und weitere westliche Länder getan haben, während die Vorwürfe noch untersucht werden? Sollte auch Dänemark seine umfangreiche Unterstützung aussetzen? Nein. ... Die Beendigung der Unterstützung für UNRWA ist eine kollektive Bestrafung der Zivilbevölkerung von Gaza, die keine Verantwortung für den Skandal trägt. Wenn man der UNRWA jetzt den Stecker zieht, wird das unvorhersehbare Folgen haben und massives Leid verursachen. Andererseits sollten die gesamte Struktur und vielleicht auch die Existenz der UNRWA selbst überdacht werden, wenn der Gaza-Krieg hoffentlich bald endet.“
Impulsive Bauchentscheidungen fehl am Platz
Auch De Standaard findet den Unterstützungsstopp einiger Staaten zum jetzigen Zeitpunkt überzogen:
„Die rhetorische Frage einiger UN-Spitzenleute ist nicht ungerechtfertigt, ob das Aussetzen der Millionenhilfe nicht auf eine kollektive Strafe für alle Einwohner des Gazastreifens hinausläuft. Kann man 'alle Kinder verhungern lassen, wegen der Sünden einer Handvoll Helfer?' Gerade zu dem Zeitpunkt, da der Internationale Gerichtshof in einer Vorentscheidung fordert, dass alle Länder der Welt alles tun, um die humanitäre Not der Palästinenser im Gazastreifen zu lindern, ist das impulsive Schließen des Geldhahns eine disproportionale Entscheidung.“
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser
Der Skandal kommt für Lidové noviny nicht von ungefähr:
„Wenn die USA, Großbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland die Finanzierung der UNRWA einstellen, liegt das wahrscheinlich nicht daran, dass sie der Desinformation erlegen sind. Das heißt nicht, dass die UN die Hamas gezielt und systematisch unterstützt. Es ist vielmehr ein Beweis dafür, wie weit ein mit guten Absichten gepflasterter Weg führen kann, wenn nicht nur die Kontrolle, sondern auch der Wille zur Kontrolle fehlt. ... In Tschechien wird man das alles mit einer gewissen Genugtuung genießen. Als Prag gegen eine UN-Resolution stimmte, die einen Waffenstillstand forderte, den Hamas-Angriff vom 7. Oktober jedoch nicht einmal erwähnte, stieß dies auf Kritik.“
UNRWA muss selbst Konsequenzen ziehen
Die Frankfurter Rundschau fordert eine Reaktion mit Augenmaß:
„Wer UNRWA dafür sanktionieren möchte, dass sie zu wenig genau überprüft, wer in den Schulen lehrt und in den Kliniken arbeitet, soll das auf eine Weise tun, die nicht vor allem jenen schadet, die am verletzlichsten sind. Es ist gut, dass UNRWA sich von den verdächtigen Beschäftigten trennt. Die Agentur sollte aber mehr tun, als ihre lokalen Mitarbeiter:innen in Schulungen zu schicken, wo sie auswendig lernen, was die Werte der Vereinten Nationen sind. Den Betroffenen muss klar sein, dass jede Verherrlichung von Gewalt faktische Konsequenzen hat, und die Führung der Agentur muss bereit sein, diese Konsequenzen auch zu ziehen – selbst wenn das in Unstimmigkeiten mit den lokalen Behörden mündet.“
Nach dem Krieg auflösen
Für den Tagesspiegel kommt ein möglicher Zahlungsstopp um Jahre zu spät:
„Das UN-Hilfswerk hat sich in der Region schon lange zum Komplizen gemacht – sowohl der Terroristen der Hamas als auch der korrupten Autonomiebehörde im Westjordanland. ... Viel sinnvoller als eine Reformierung ist daher eine Auflösung nach Ende der Kampfhandlungen und zu Beginn des jahrelangen Wiederaufbaus von Gaza. ... [N]icht nur die Hamas [muss] vertrieben werden, sondern es braucht vor Ort auch eine Institution, die sich mit aller Kraft um die Versorgung der Bewohner kümmert, ohne zusätzlichen Hass zu säen und so allen Menschen in der Region weiter zu schaden. Die UNRWA hat eindrücklich gezeigt, dass sie dies nicht kann.“
Bedürftige nicht im Stich lassen
Dass Irland das Hilfswerk weiter unterstützt, befürwortet Irish Examiner:
„Beweise dafür, dass einige Mitarbeiter an Gewalttaten beteiligt waren, sind äußerst schädigend. Doch wägen wir den Fall mit dem Kriterium der Menschlichkeit ab – ein Wert, der gerade dringend benötigt wird – wird klar, dass es ein größeres Übel wäre, den Menschen und Organisationen, die lebensrettende Maßnahmen leisten, die Finanzierung zu verweigern. Und aus diesem Grund haben Irland und sein Vizepremier Micheál Martin Recht, wenn sie sich den Maßnahmen anderer Länder widersetzen, die die finanzielle Unterstützung für das UNRWA ausgesetzt oder gestrichen haben. ... In diesem Moment wäre es falsch, verzweifelte Flüchtlinge und Kriegsopfer noch mehr im Stich zu lassen.“
Schnell jeden Zweifel ausräumen
Eine glasklare und zügige Aufklärung fordert ABC:
„Angesichts der Tatsache, dass die Uno Tausende von Mitarbeitern beschäftigt, ist es zwingend erforderlich, dass sie das Ausmaß der israelischen Behauptung über die Beteiligung des UNRWA an dem Hamas-Terroranschlag klärt. Es darf kein Zweifel daran bestehen, dass das UN-Personal ausschließlich für humanitäre Hilfe und keine anderen Aufgaben eingesetzt wird. Jeder Zweifel würde so schwer wiegen, dass wahrscheinlich viele weitere Länder die Finanzierung des UNRWA streichen würden, bis klar ist, dass dem Einsatz im Gazastreifen kein Makel anhaftet. Deshalb muss António Guterres die Untersuchung unbedingt beschleunigen.“