Gefahr von rechts: Wie ist die Lage?
Etliche Länder in Europa sind mit einem Aufstieg extrem rechter Bewegungen und Parteien konfrontiert. Aus Sorge um die Demokratie gingen beispielsweise in Deutschland Hunderttausende auf die Straßen. Auch Kommentatoren blicken mit Beunruhigung auf den Trend und fragen nach den Ursachen.
Die Nazis sind wieder salonfähig
Die Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek kritisiert in Der Standard, dass die demokratische Verfassung immer mehr untergraben wird:
„Der allgemein beliebte Verfassungsstemmbogen wird immer weiter ausgestemmt, da sitzen Männer und Frauen mit Meißeln und Hämmern und arbeiten daran, daß immer mehr hineingehen in diesen Bogen, und die alten und die neuen Nazis sind wieder salonfähig. Der Rest kann gehen oder wird weggeschafft. Die Ausländer sollen raus – eine jahrzehntealte Parole – und die Inländer sollen kuschen. ... Die Verabredung zwischen den gewesenen Geschlechtern, die ihre Geschichtslektion gelernt haben, aber jetzt langsam aussterben, und unserem verliert langsam, aber sicher ihre Gültigkeit.“
Demokratie hoffentlich keine Eintagsfliege
Angesichts des Erfolges von Trump bei den Vorwahlen macht sich Volkskrant-Kolumnist Jarl van der Ploeg Sorgen über die Zukunft der Demokratie:
„Manchmal frage ich mich, wie Historiker die Jahrhunderte nach der Französischen Revolution beurteilen werden. Werden sie das Aufkommen der anti-rechtsstaatlichen Bewegungen wie den Faschismus als Abweichung sehen im Verlauf einer sonst ordentlichen demokratischen Geschichte? Mit noch ein paar Zuckungen Anfang des 21. Jahrhunderts. Oder werden sie die Geburt dieser Bewegungen gerade sehen als Kernmoment, an dem eine neue Phase begann? Dass unsere moderne Demokratie also nicht die Krönung einer jahrtausendlangen Geschichte war, sondern eher eine Eintagsfliege? Und dass es inzwischen Abend ist?“
Das Ende einer Erfolgsformel
Mladina ist alarmiert:
„Im Superwahljahr in der EU und anderswo auf der Welt ist der Aufstieg extremer rechtspopulistischer Parteien einer der riskantesten und gefährlichsten globalen gesellschaftlichen Prozesse. Offensichtlich geht es zu Ende mit der Erfolgsformel des Westens, liberale Demokratie und freien Markt, Wohlfahrtsstaat und globalen Kapitalismus zu verbinden. Seit der Wende zum 21. Jahrhundert erstarken autoritäre Regime und der neoliberale Kapitalismus ist in eine Reihe globaler Krisen verwickelt. Europa ähnelt heute immer mehr der Situation in den 1930er Jahren. Die grundlegenden Ideen der europäischen extremen Rechten erinnern zunehmend an die Zeit des Aufstiegs des europäischen Faschismus.“
Europäische Grundwerte in Gefahr
Die beiden großen parteipolitischen Lager, auf deren Überzeugungen die europäische Integration fußt, verlieren die Kontrolle, ist Público besorgt:
„Die nationalistischen und populistischen Kräfte wollen die Entscheidungsfreiheit der nationalen Regierungen in verschiedenen Bereichen ausweiten, von der Landwirtschaft und der Industrie über den internationalen Handel (sie sind eher protektionistisch eingestellt) bis hin zur Einwanderungs- und Asylpolitik, ihrem wichtigsten Kampfross. ... Der Wiederaufbau nach dem Krieg und die europäische Integration waren das Werk der beiden großen Lager, Mitte-Rechts und Mitte-Links, die dieselben Grundwerte teilen. Kann die Union deren Schwächung überleben? Das ist keine rhetorische Frage mehr.“
Gemeinsamer Nenner ist die Krisenangst
Rechtspopulisten profitieren von Wut und Verunsicherung, analysiert Times of Malta:
„Extrem rechte Parteien haben ihre Wählerbasis erweitert und vereinen Wähler mit sehr unterschiedlichen Anliegen. In vielen Ländern war früher die Einwanderungsfrage das Schlachtross der populistischen Parteien. Das ist immer noch so, aber kulturelle Bedenken machen nun nur noch die Minderheit der Wahlentscheidungen aus. Populisten haben jetzt eine breit gefächerte Agenda. Sie machen sich eine ganzen Reihe von Unsicherheiten zunutze. Während Covid wetterten die Populisten gegen Lockdowns und Impfzwang. Nun geht es um kulturelle Themen wie Geschlecht, Geschichte, Symbole der nationalen Identität und die Klimakrise. Andere wettern gegen die Krise der Lebenshaltungskosten oder Russlands Krieg gegen die Ukraine.“