Portugal 50 Jahre nach der Nelkenrevolution
Am Donnerstag jährt sich der Sturz der portugiesischen Salazar-Diktatur zum 50. Mal. Die sogenannte Nelkenrevolution steht für Portugals Weg in die Demokratie, in die europäische Integration und die Aufgabe der Kolonien. Die Presse reflektiert den Zustand des Landes auch vor dem Hintergrund der jüngsten Parlamentswahl, bei der die ideologisch dem Salazar-Regime nahestehende Chega-Partei drittstärkste Kraft wurde.
Gesund und euphorisch
Die hohe Wahlbeteiligung bei den jüngsten Parlamentswahlen zeigt für Correio da Manhã, wie lebendig die Demokratie mit ihren 50 Jahren ist:
„Der Lauf der Geschichte wollte es, dass der Jahrestag des 25. April in eine Zeit fällt, in der eine optimistische Sichtweise auf die Demokratie zu einem deutlichen Rückgang der Wahlenthaltung bei der letzten Parlamentswahl führte – was die größten Skeptiker immer für unmöglich gehalten hatten. Am Ende gingen mehr Portugiesen zur Wahl als in den letzten Jahrzehnten. ... Die neuen Parteien versöhnten viele Portugiesen, die sich zuvor der Stimme enthalten hatten, mit dem System. Die Jugend zeigte eine deutliche Unterstützung, und eine gewisse Wahleuphorie kehrte in Portugal zurück.“
Keine rosa Brille aufsetzen
Durch Erinnerung an eine schreckliche Vergangenheit darf man sich nicht die Gegenwart schönreden, mahnt Observador:
„50 Jahre später hinkt das Land immer noch hinterher und verliert seine mutigsten Menschen an die Emigration. In diesen 50 Jahren ist Portugal dreimal bankrott gegangen und es hat in den letzten Jahren etwas noch Beunruhigenderes erlebt: den Bankrott des Wohlfahrtsstaates und den Niedergang von Institutionen wie den öffentlichen Schulen, die den sozialen Aufstieg garantierten. Das Scheitern der Gegenwart findet in der Simplifizierung der Vergangenheit zwar keine Entschuldigung, aber zumindest eine Art Ruhepause, so als ob die Übel der Vergangenheit die Probleme der Gegenwart zwar nicht entschuldigen, aber – durch Setzung eines hässlichen Kontrapunkts – zumindest herunterspielen.“
Viele sehnen sich zurück
Der Publizist Paulo Baldaia mahnt in Expresso, wachsam zu sein, damit rechtskonservative Kreise nicht das Rad zurückdrehen:
„Diese Rechte schaut mit einem gewissen Neid auf das, was sie als Erfolg wokistischer Exzesse wahrnimmt und als Gender-Ideologie oder Sowjetisierung der Schulen bezeichnet. Am Jahrestag des 25. Aprils fühlen sie sich ziemlich unwohl und träumen von einer Rückkehr in eine Zeit, als das Motto 'Gott, Vaterland und Familie' hieß. ... 34 Prozent der Portugiesen bevorzugen starke Führer, die sich nicht um Wahlen und Opposition kümmern müssen. Wie man sieht, gibt es für diese reaktionäre Rechte, die den Wunsch verspürt, für eine Rückkehr zur Vergangenheit zu kämpfen, noch viel Spielraum.“