Litauen: Präsident Nausėda triumphal wiedergewählt
Gitanas Nausėda hat die Stichwahl um das Präsidentenamt in Litauen klar gewonnen. Mit 74,43 Prozent der Stimmen sicherte er sich die zweite Amtszeit gegenüber seiner Konkurrentin, Premierministerin Ingrida Šimonytė, mit 24,26 Prozent. Eine höhere Zustimmungsrate konnte bisher kein Präsidentschaftskandidat in der Stichwahl erringen. Kommentatoren erörtern, was auf den populären Nausėda nun zukommt.
Erfolg als Auftrag
LRT-Kolumnist Paulius Gritėnas stellt fest:
„Nausėda vertrat während seiner ersten Amtszeit eine prinzipientreue Position in außenpolitischen Fragen. Er festigte seine Rolle in der politischen Arena und gewann die Achtung politischer Parteien. Gleichzeitig wollte er geliebt werden. Dieser Wunsch war ihm wichtiger als die Notwendigkeit, Kritik anzuhören, Taktik und Strategie zu überdenken und Konzepte und Positionen zu erklären. ... Die zweite Amtszeit eröffnet Nausėda verschiedene Alternativen. ... Doch alles hängt davon ab, ob der Präsident sich dafür entscheidet, auf jede erdenkliche Weise die Liebe der Öffentlichkeit zu sichern oder den schwierigen und manchmal unpopulären Weg der Führung zu gehen, der komplexe Entscheidungen erfordert.“
Der Westen sollte aufhorchen
Die Gründe für die Wiederwahl des vehementen Kyjiw-Unterstützers sind für die taz offensichtlich:
„Vor dem Hintergrund leidvoller historischer Erfahrungen fühlen sich Litauen sowie die anderen baltischen Staaten Estland und Lettland, aber auch beispielsweise Polen ... von Russland besonders bedroht. Vor allem sie sind in letzter Zeit vermehrt Ziel hybrider Kriegsattacken des Kreml geworden – seien es die gezielte Instrumentalisierung von Migrant*innen, die über die Grenze geschleust werden, oder abstruse Gedankenspiele über Grenzverschiebungen in der Ostsee. Diese Realitäten nicht zur Kenntnis zu nehmen, zeugt von Ignoranz und Arroganz. Nein, Länder wie Litauen brauchen in Sachen Russland keine Belehrungen. Vielmehr müssen sie Gehör finden.“
Popularität für Unpopuläres
Mit welchen Themen sich der wiedergewählte Präsident in Zukunft beschäftigen muss, deutet der Politologe Ramūnas Vilpišauskas in 15min an:
„Wahrscheinlich wird Nausėda die Stabilität der aktuellen Koalition und der Premierministerin testen. Doch da die Parlamentswahl bald bevorsteht, ist es unwahrscheinlich, dass größere Veränderungen vorgenommen werden. ... Man fragt sich jedoch, ob Nausėda, der nicht mehr an seine Wiederwahl denken muss, versuchen wird, seine Popularität zu nutzen, um potenziell unpopuläre, aber notwendige politische Veränderungen in Litauen zu initiieren, wie beispielsweise eine Steuerreform zur nachhaltigen Verteidigungsfinanzierung, die von der neuen Regierungskoalition wahrscheinlich nach der Parlamentswahl angegangen wird.“