Rechtsstaatlichkeit in der EU: Weiter ausbaufähig

Zum fünften Mal hat die EU-Kommission die Rechtsstaatlichkeit der 27 Mitgliedsstaaten überprüft. Demnach haben viele Länder Fortschritte gemacht. Massive Kritik gibt es aber weiterhin an Ungarn. Acht Empfehlungen gibt der Bericht an Budapest ab, in allen vier Rechtstaats-Bereichen: Justizsystem, Maßnahmen gegen Korruption, Gewaltenteilung und Pressefreiheit. Bei Letzterer wird auch die Slowakei ermahnt.

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Szabad Európa (HU) /

Erwartungen bleiben unverändert

In Ungarn ist alles weitgehend beim Alten geblieben, beobachtet Szabad Európa:

„Im Falle Ungarns wiederholt der diesjährige Bericht weitgehend die Empfehlungen des Berichts 2023, nachdem die meisten der Korrekturmaßnahmen, die Brüssel vor einem Jahr als wichtig bezeichnet hatte, bei der Regierung Orbán auf taube Ohren stoßen. Eine der wenigen Ausnahmen ist das Kapitel über die Justiz, bei dem die Regierung nach Einschätzung der Kommission die vier Bedingungen erfüllt hat, was den Ausschuss dazu bewegt hatte, [Ungarn] bis 2030 10,2 Milliarden Euro an kohäsionspolitischen Mitteln freizugeben, was den Zorn der EU-Abgeordneten auf sich gezogen hatte.“

Denník N (SK) /

Budapest lässt grüßen

Denník N schreibt zur Kritik an Bratislava:

„Es genügt die Feststellung, dass sich die Slowakei zusammen mit Ungarn in einer Gruppe befindet, die nach Angaben der Kommission anhaltende Probleme mit der Korruptionsbekämpfung, der Unabhängigkeit der Medien und einer funktionierenden Zivilgesellschaft hat. ... Die Oppositionsparteien werten den Bericht der Kommission sowohl als Warnung als auch als Bestätigung dafür, wie irreführend die Behauptung der Regierung war, sie habe ihre Maßnahmen, etwa im Bereich des Strafgesetzbuchs, vorab mit der Union ausgehandelt. ... Die Inspiration aus Ungarn ist offensichtlich. Das sieht man mittlerweile auch in Brüssel so.“

G4Media.ro (RO) /

EU-Bericht gegenüber Rumänien viel zu lax

G4Media.ro ist enttäuscht:

„Es kann nicht sein, dass in den [rumänischen] Gerichten große Korruptionsfälle wie am Fließband eingestellt werden, sei es aus skandalvermeidenden Gründen oder weil sie verjährt sind. Es kann nicht sein, dass die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes in den rumänischen Gerichten ignoriert werden. Es kann nicht sein, dass die Schikanen gegen Magistraten wie schon zu Zeiten von Dragnea ungehindert weitergehen. Es kann nicht sein, dass die Parteien Monat für Monat Millionen Steuergelder in die Presse pumpen, damit sie ihnen genehm ist. Es kann nicht sein, dass all diese ernsthaften Probleme im Rechtsstaatlichkeitsbericht der EU-Kommission heruntergespielt oder ignoriert werden. Aber ja doch, es ist möglich.“

Adevărul (RO) /

Regierende beschönigen die Ergebnisse

Adevărul hingegen hält die Bewertung aus Brüssel für passend:

„Justizministerin Alina Gorghiu sieht 'zahlreiche bedeutende Fortschritte' in Rumänien, während der Bericht der EU-Kommission nur einige 'weitere Fortschritte' bei der Umsetzung der Empfehlungen sieht, die bereits voriges Jahr an unser Land gerichtet wurden! Der letzte Bericht bringt wichtige negative Aspekte ans Tageslicht, die sich auf die Rechtsstaatlichkeit und auf die Bürger in Rumänien auswirken. Er führt auf, welche Reformen und Empfehlungen nicht umgesetzt wurden, was die derzeit Regierenden nicht sehr zu berühren scheint.“

La Repubblica (IT) /

Demokratische Räume werden enger

La Repubblica erklärt die Problematik in Italien:

„Die Kritik beginnt bei der Justizreform und geht bis hin zu den zunehmenden Risiken durch Verleumdungsklagen und mehr oder weniger offener Einschüchterung, mit Verweis auf den Pluralismus im Radio- und Fernsehsystem. Zu den Problemen des Informationssystems kommen noch die hinzu, die sich aus der Verfassungsreform über die Direktwahl der Premiers ergeben. … Dabei handelt es sich nicht um ein Sammelsurium kritischer Punkte. Es wird als Gesamtprozess der Verengung der Räume für Partizipation und pluralistische Auseinandersetzung gesehen, der die politische Rolle des Parlaments und der Parteien schwächt, also derjenigen, die traditionell zusammen mit der Presse die Wächter der liberalen Demokratien sind.“