Nahost-Gespräche: Letzte Chance auf Frieden?

Mit neuen Verhandlungen in Kairo wollen die USA, Katar und Ägypten eine Eskalation im Nahen Osten verhindern. Es geht um einen Friedensplan, der zunächst eine Waffenruhe mit Geisel- und Gefangenenaustausch und im Anschluss einen Rückzug der israelischen Armee aus dem Gazastreifen vorsieht. Mehr Skepsis als Hoffnung bei Kommentatoren.

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Delfi (LV) /

Weg zur Lösung noch sehr weit

Delfi sieht die Möglichkeit eines Waffenstillstandes im Nahostkonflikt kritisch:

„Washingtons Zorn ist auch auf Netanjahu gefallen. Ein hochrangiger Beamter der US-Regierung warf dem israelischen Premierminister laut BBC 'maximalistische Äußerungen' vor. ... Bei einem Treffen mit Geiselangehörigen soll der israelische Ministerpräsident gesagt haben, er habe Antony Blinken davon überzeugt, dass ein Abkommen dazu führen solle, dass israelische Truppen in bestimmten Gebieten im Gazastreifen bleiben. ... Das wirft einmal mehr Licht auf die komplizierten Beziehungen zwischen Netanjahu und Washington. ... Es bestätigte einmal mehr, wie weit der Weg bis zum Ziel amerikanischer Träume – dem Frieden in Gaza – noch ist. Dieses Ziel existiert möglicherweise gar nicht (mehr).“

France Inter (FR) /

Eine Sackgasse

Kolumnist Antoine Malo ist in France Inter alles andere als optimistisch:

„Die Hamas hat bekanntlich immer ihr eigenes Überleben über das der Bewohner Gazas gestellt. Netanjahu hingegen verfolgt einen widersprüchlichen Diskurs. Einerseits sagt er dem amerikanischen Vermittler, dass er zu Zugeständnissen bereit sei, um einen Waffenstillstand und die Rückkehr der Geiseln zu erreichen. Andererseits erklärte er diese Woche den Familien ebendieser Geiseln, dass er niemals auf die Philadelphi-Passage [Sicherheitszone zwischen ägyptischer Grenze und Gazastreifen] verzichten werde. Doch genau dieses Festhalten an seiner Position verhindert ihre Freilassung. So wird der Krieg in Gaza weitergehen.“

T24 (TR) /

Vertrauen in internationales Recht stärken

Ruhat Sena Akşener, Direktorin von Amnesty International Türkei, fordert in T24 konkretes Handeln:

„Die Stellungnahme des IGH vom Juli 2024 ist ein historisches Urteil, das die Rechte der Palästinenser bestätigt, die jahrzehntelang unter Verfolgung und systematischen Menschenrechtsverletzungen infolge der unrechtmäßigen israelischen Besatzung gelitten haben. Dieses Urteil allein kann jedoch die Gräueltaten und die Zerstörung in Gaza nicht beenden. ... Wenn die Staats- und Regierungschefs der USA, Großbritanniens, Deutschlands und anderer EU-Länder nicht die notwendigen Schritte unternehmen, um ihren Verpflichtungen zur Verhinderung von Völkermord nachzukommen, untergraben sie ernsthaft die internationale Rechtsordnung und das Vertrauen in das internationale Recht.“

La Stampa (IT) /

Waffenstillstand als Dreh- und Angelpunkt

Eine Einigung könnte auch die Gefahr mildern, die Israel aus dem Iran droht, betont La Stampa:

„Israel weiß, dass jede Nacht ein Krieg vom Himmel kommen könnte und die massiven Angriffe aus dem Iran und aus dem Libanon diesmal seine Raketenabwehr durchbrechen könnten. Teheran sagt, es sei bereit, nicht weiterzumachen, wenn es ein Waffenstillstandsabkommen im Gazastreifen gibt. Fast elf Monate nach dem Massaker der Hamas ist der Waffenstillstand im Gazastreifen damit zum Dreh- und Angelpunkt der Nahostkrise geworden. ... Es wird erwartet, dass die Verhandlungen morgen in Kairo auf der Grundlage eines 'Überbrückungsvorschlags' der Vermittler wieder aufgenommen werden, den US-Außenminister Blinken als 'wahrscheinlich die beste, vielleicht die letzte Chance' für einen Waffenstillstand bezeichnete.“

The Economist (GB) /

Am Ende hängt es an zwei Männern

The Economist zeigt sich trotz Optionen für eine gesichtswahrende Lösung skeptisch:

„Ein Waffenstillstand in Gaza würde allen Parteien eine willkommene Rechtfertigung liefern, einen regionalen Krieg zu vermeiden. Israel könnte behaupten, dass seine Hauptziele in Gaza erreicht wurden. Was von der Hamas übrig geblieben ist, könnte sich des Überlebens rühmen und der Iran und seine Stellvertreter könnten behaupten, dass ihre Einschüchterungstaktik Israel zu einem Kompromiss gezwungen hat. Die endgültige Entscheidung zu einem Waffenstillstand liegt jedoch immer noch bei Netanjahu und Sinwar. Und für beide steht ihr persönliches und politisches Überleben an erster Stelle.“

Večer (SI) /

USA müssen Waffenlieferungen an Israel stoppen

Washington muss mit seinem doppelten Spiel aufhören, ärgert sich Večer:

„Friedensinitiativen und eine symbolische Anerkennung Palästinas werden das Morden in Gaza nicht stoppen. Der Einzige, der diesen Wahnsinn stoppen kann, ist der Präsident der Vereinigten Staaten. Nicht mit Friedensvorschlägen, sondern indem er auf den Tisch haut und den Waffenfluss nach Israel stoppt. Letzte Woche, wenige Tage bevor der neue Friedensvorschlag vorgelegt wurde, genehmigten die USA den Verkauf von Waffen im Wert von 20 Milliarden US-Dollar an Israel. Sind Menschenleben nicht wertvoller als Kriegsprofite?“

De Standaard (BE) /

Es braucht mehr Druck auf Netanjahu

Der frühere Israel-Korrespondent Jan van der Putten fragt sich in De Standaard, was passieren müsste, damit es zu einer friedlichen Lösung kommt:

„Es gibt noch Auswege aus der blutigen Sackgasse. Eine israelische Bewegung von zivilem Ungehorsam kann Aufwind bekommen. Die Regierung kann auseinanderbrechen, Sprengstoff gibt es genug. Ein politischer Gegner kann als Alternative auftauchen und Wahlen erzwingen. ... Und das Ausland kann viel tun, wenn die chinesische und russische Unterstützung für den Iran begrenzt bleibt und der Westen seine Halbherzigkeit aufgibt. Zum Beispiel Joe Biden. ... Netanjahu beleidigt ihn ständig. Dennoch denkt Biden nicht daran, menschenrechtliche Bedingungen an Amerikas Waffenhilfe zu knüpfen.“

Frankfurter Allgemeine Zeitung (DE) /

Vollkommen gegensätzliche Interessen

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung fragt sich, was die jüngste Meldung von sechs in Gaza tot geborgenen Geiseln für die Verhandlungen bedeuten könnte:

„[D]ie Kritik vieler Familien der Verschleppten, die einen Deal mit der Hamas fordern, bleibt laut und durchdringend. Doch die Interessen von Israels Regierung und der Hamas könnten kaum gegensätzlicher sein. Und Netanjahu hat seine politischen Ziele schon oft durch maximale Ausdauer und Unnachgiebigkeit erreicht – so hat sich der Ministerpräsident inzwischen wieder aus dem Umfragetief zurückgekämpft und dominiert Israels Politik. ... Als vage Hoffnung bleibt, dass es ihm diese Stärke ermöglichen könnte, gegen die Extremisten in seinem Kabinett einen Deal durchzusetzen – doch die Frage bleibt, ob die Hamas überhaupt eine Waffenruhe will.“