Rail Baltica: Bahnstrecke auf Irrwegen
Vor 30 Jahren wurde es angedacht, vor 20 Jahren, beim EU-Beitritt der drei baltischen Staaten, galt das Großprojekt bereits als Priorität: Doch Rail Baltica, eine 870 Kilometer lange zweigleisige Hochgeschwindigkeitsstrecke in Normalspur durch Estland, Lettland und Litauen nach Polen, macht nur langsam Fortschritte - während die Kosten auf inzwischen 15 Milliarden Euro gestiegen sind. Vor allem in und um Riga klemmt es.
Entgleistes Megaprojekt
Verslo žinios wirft einen frustrierten Blick auf den Status quo:
„Die Eisenbahnverbindung von Tallinn nach Polen ist zu Schrödingers Katze geworden – sie existiert und gleichzeitig existiert sie nicht. Jedes Jahr ändern sich die Ziele: die Länge der Strecke, der Termin wird verschoben, die Kosten steigen. Die Esten kommen mit dem Projekt nicht hinterher und die Letten finden kein Geld mehr ... Einen Elefanten muss man in kleinen Bissen essen, offenbar in noch kleineren als bisher. Zum 30. Jahrestag des ursprünglichen Rail-Baltica-Konzepts müssen wir zugeben, dass wir uns verdächtig und lächerlich gemacht haben. Am Ende werden wir Schienen, aber keine Züge und Bahnhöfe haben.“
Großbaustelle ohne EU-Finanzierung
Neatkarīgā kritisiert die lettischen Entscheidungsträger für das Vorhaben, den Rigaer Flughafen in das Bahnprojekt einzubinden:
„Währenddessen wird in Litauen und Estland sachlich und konstruktiv gearbeitet ... Im medialen Raum ärgern sich auch Litauer und Esten darüber, dass alles zu teuer ist und zu langsam geht, allerdings ohne solch schrille Töne der Verzweiflung und Wut wie hier, wo etliche Beamte aufgefallen sind, weil sie Unwissenheit, Inkompetenz und Verantwortungslosigkeit plastisch zur Schau stellen. ... Wie die Esten haben sich auch die Litauer nicht vorgenommen, Vilnius wegen Rail Baltica auf den Kopf zu stellen, Brücken abzureißen, Tunnel zu graben und Pfähle in den Schlamm zu rammen, ohne zu wissen, ob es dafür überhaupt europäische Fördermittel geben würde.“
Sicherheitsinteressen stehen auf dem Spiel
Postimees drängt auf einen schnellen, zur Not auch provisorischen Bau der Hauptstrecke:
„Kern der Estland mit Mitteleuropa verbindenden Hochgeschwindigkeitsbahn war von Anfang an die Gewährleistung der nationalen Sicherheit, nicht die Bequemlichkeit der Fahrgäste oder wirtschaftliche Interessen. ... In der derzeitigen Sicherheitslage haben wir nicht wirklich einen Zeitpuffer, um die Fertigstellung der Hauptstrecke zu verzögern. Eine vage Verschiebung der Termine auf die 2030er Jahre ist inakzeptabel. Aber die Richtung stimmt, und es sieht so aus, als ob alles, was für die Fertigstellung der Hauptstrecke überflüssig ist, verschoben oder gekürzt wird. ... Auch sollte sich Lettland schnell mit der Tatsache abfinden, dass Riga vorerst nicht an der Hauptstrecke liegen wird.“