Orbán setzt auf "wirtschaftliche Neutralität"

Viktor Orbán will mit Ungarn eine "Strategie der wirtschaftlichen Neutralität" verfolgen. Eine Blockbildung, wie sie der Westen als Antwort auf den wirtschaftlichen Aufstieg östlicher Staaten anstrebe, lehne er ab: Wirtschaftsbeziehungen dürften nicht auf ideologischen Erwägungen beruhen. Die Landespresse wägt die Argumente ab.

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Index (HU) /

Diversifizierte Handelsströme schaffen Stabilität

Einseitige Abhängigkeit macht ein Land verletzlich, meint Index in einem in Kooperation mit der regierungsnahen Oeconomus-Stiftung erstellten Artikel:

„Durch eine aktivere Beteiligung am internationalen Handel setzt sich ein Land stärker Schocks aus, auf die es relativ wenig Einfluss hat. Ein noch drängenderes Problem entsteht jedoch, wenn ein Land einseitig und durch eine starke geografische Konzentration der Exporte mit dem Welthandel verbunden ist. Eine Minderung der Verletzlichkeit kann durch eine Ausweitung der Exportpalette von Produkten und Dienstleistungen und durch eine Verminderung der geografischen Konzentration erreicht werden. ... Es ist eine rationale Überlegung, dass ein Land mit beschränkten Abhängigkeiten in alle Richtungen nicht einseitig von jemandem abhängig ist.“

Magyar Hang (HU) /

Bisher wenig erfolgreich

Die Praxis liefert Budapest keine Argumente, unkt Magyar Hang:

„Nehmen wir zum Beispiel das russische Gas, das wir im Juli – laut Eurostat-Daten – mit einem Preisaufschlag von 12 Prozent gegenüber dem Börsenpreis gekauft haben. ... Unser geschätzter Verlust durch die Verbindung nach Russland beträgt seit dem Inkrafttreten des neuen Vertrags im Oktober 2021 rund 253 Milliarden Forint [ca. 630 Mio. Euro] – so die Berechnungen von Népszava. In diesem Fall hat Ungarn zwar selbst bestimmt, mit wem es Geschäfte macht, sich aber offensichtlich nicht für den Geschäftspartner entschieden, mit dem es sich am meisten lohnt. ... Diese 'wirtschaftliche Neutralität' mag eine gute Sache sein, die bisherige Praxis weist das aber nicht nach.“

hvg (HU) /

Hoffentlich nur Fiktion

Viktor Orbáns Plan würde den Austritt aus der EU bedeuten, meint hvg:

„Hoffentlich ist dem Ministerpräsidenten klar, dass die 'wirtschaftliche Unabhängigkeit' in der von ihm skizzierten Form innerhalb der EU nicht durchführbar ist und dass es für Ungarn kein Leben außerhalb der EU gibt ... In diesem Fall ist die 'wirtschaftliche Unabhängigkeit' in der skizzierten Form eine bloße Fiktion, ein ideologischer Rahmen, der die umstrittenen Maßnahmen der Regierung im In- und Ausland (Abbau der Rechtsstaatlichkeit, ständige Konfrontation mit den Verbündeten, Schmeichelei an Diktatoren aller Art) und ihre wenig erfolgreiche Wirtschaftspolitik erklären soll.“