Portugal: Streit über geplante Steuersenkungen
Die liberal-konservative Regierungskoalition hat in Portugal den ersten Haushaltsentwurf ins Parlament eingebracht. Zur Verabschiedung hofft die Minderheitsregierung auf die Unterstützung der Sozialisten (PS), die sich aber insbesondere an zwei Punkten stören: der Senkung der Körperschaftssteuer (IRC) und an einer besonders gestaffelten Ermäßigung der Einkommenssteuer für junge Berufstätige (IRS Jovem).
Lebensqualität im weiteren Sinne zählt
Um die Abwanderung junger Arbeitskräfte zu verhindern, braucht es mehr als nur Steuersenkungen warnt Ökonom Ricardo Paes Mamede in Público:
„Selbst wenn die Auswirkungen auf die Jugendbeschäftigung positiv sind, wird das Ausbleiben signifikanter Verbesserungen des Gehaltsniveaus und der Beschäftigungsstabilität die Abwanderung junger Portugiesen weiter fördern. In der Tat warnen uns internationale Studien, dass neben Gehältern und Vertragsbedingungen weitere Faktoren entscheiden: Karriereaussichten, Autonomie am Arbeitsplatz, soziale Absicherung, Zugang zu qualitativ hochwertigem Wohnraum und öffentlichen Dienstleistungen (für junge Menschen mit Kindern insbesondere Kinderkrippen und Schulen) oder die Lebensqualität können für den Entschluss zur Auswanderung entscheidend sein.“
Angst vor Veränderung
Jornal de Notícias empfiehlt den Sozialisten (PS) mehr Offenheit für Veränderung:
„Die Debatte über den Haushalt 2025 konzentrierte sich auf die beiden roten Linien der PS: den geplanten Steuersätzen für junge Menschen (IRS Jovem) mit Zugeständnissen an Spitzenverdiener, um diejenigen zu halten, die das größte Wertschöpfungspotenzial für die Wirtschaft darstellen. Und die geplante mehrjährige Senkung der Körperschaftssteuer (IRC), um das Land für ausländische Investitionen attraktiv zu machen und es bereits ansässigen Unternehmen zu ermöglichen, in Personal und andere Ressourcen zu investieren. Wenn Vorschläge disruptiv sind, warnen Politiker und Institutionen vor den Risiken. Unsicherheit lähmt.“
Im Wettbewerb um Talente
Auch Financial Times glaubt, dass künftig mehr getan werden muss, um junge Talente im Land zu halten:
„Auswanderer werden weitere Belege dafür sehen wollen, dass sich die langfristigen Aussichten Portugals verbessern, insbesondere da ihnen eine kräftige Steuererhöhung bevorstehen könnte, wenn die vorgeschlagenen Entlastungen mit Mitte dreißig wegfallen. Das bedeutet, dass Initiativen zur Reduzierung der Bürokratie, zur Schaffung von Investitionsanreizen und zur Stärkung Portugals als Drehscheibe für Unternehmer ebenso wichtig sind. Sollte Portugals Plan das Parlament passieren, könnte das auch andere europäische Nationen zu mutigeren Maßnahmen anregen. ... Länder müssen eine ganze Reihe von Faktoren in ihrem Geschäftsumfeld berücksichtigen, wenn sie das Rennen um Talente gewinnen wollen.“