Brics-Gipfel in Russland: Stärkung des Anti-Westens?

Im russischen Kasan richtet Gastgeber Wladimir Putin den diesjährigen Gipfel der Brics-Staaten aus. Der inzwischen auf neun Mitglieder angewachsene formlose Staatenbund versteht sich als Vereinigung der Schwellenländer, wobei sowohl intern als auch in Europas Presse die Meinungen auseinandergehen, inwieweit er in Konkurrenz zum "globalen Westen" steht.

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Corriere della Sera (IT) /

Große Bühne für Putin

Kasan gibt Putin die perfekte Gelegenheit zur Imagepolitur, schreibt Corriere della Sera:

„Für den Diktator aus Moskau wird es eine Bühne sein, von der er nicht nur rhetorisch das westliche Narrativ seiner Isolation widerlegen kann, sondern auch eine führende Rolle in einer Organisation beanspruchen kann, die danach strebt, die durch zunehmende Fragmentierung gekennzeichnete neue Weltordnung zu beeinflussen. … Als sich die Brics 2006 zusammenschlossen, war die Skepsis groß, ob sie angesichts der großen Heterogenität ihrer Mitglieder Bestand haben und das internationale Gleichgewicht beeinflussen könnten. Tatsächlich aber sind sie zu einem obligatorischen Bezugspunkt für den sogenannten Globalen Süden geworden - die Galaxie derjenigen Länder, die sich von den traditionellen Formaten der Weltordnungspolitik ausgeschlossen fühlen.“

Le Temps (CH) /

Zur G7-Konkurrenz ist es noch weit

Die Vereinigung leidet an Interessenkonflikten und mangelnder Abstimmung, beobachtet Le Temps:

„Diese Gruppe hätte auf den ersten Blick die Mittel, um die Organe des Multilateralismus zu ihren Gunsten auszugleichen. Doch in Wirklichkeit handelt es sich um eine heterogene Ansammlung von Ländern, die vor allem ihre eigenen Interessen verteidigen wollen und oft in einem konfliktreichen Verhältnis zueinander stehen, während sie gleichzeitig ihren Wunsch nach mehr Einfluss auf die Gestaltung der Weltgeschehnisse bekunden. ... Die Brics bezeichnen sich selbst als Gegenstück zur G7, dem Zusammenschluss der mächtigsten Industrieländer der Welt. Sie sind noch weit davon entfernt, die Kohärenz und Entschlossenheit der G7 zu besitzen.“

France Inter (FR) /

Westen sollte genau hinhören

Auch für den Rest der Welt ist das Treffen von Bedeutung, betont Kolumnist Pierre Haski im Radiosender France Inter:

„Was die Brics-Länder vereint, ist die Ablehnung einer Weltordnung, die dem Westen weiterhin einen zu großen Stellenwert einräumt. Doch nicht alle Mitglieder des Clubs wollen sie unbedingt durch eine chinesische Ordnung ersetzen oder Putin als Beschützer oder Hüter der Moral haben. Allerdings öffnen die Unmöglichkeit, die Weltordnung zu reformieren, sowie der durch den Nahost-Konflikt entstandene Eindruck einer westlichen Doppelmoral den Verfechtern der Brics Tür und Tor, angefangen bei China und dessen Übernahmeangebot für den 'Globalen Süden'. Daher sollte der Westen die Botschaft aus Kasan nicht ignorieren. Andernfalls droht er, in einer Welt aufzuwachen, die ihm entgleitet.“

Yetkin Report (TR) /

Unvereinbare Interessen unter einem Dach?

Die Türkei hat als erster Nato-Staat einen Antrag auf Brics-Mitgliedschaft gestellt, der voraussichtlich auf dem Gipfel in Kasan angenommen wird. Der ehemalige Diplomat Özden Sanberk fragt sich in Yetkin Report, wie das zusammenpassen soll:

„Auf der einen Seite sehen wir westliche Bündnisse wie die EU, die Nato, den Europarat, die die Demokratie und den Menschen in den Mittelpunkt rücken, und auf der anderen Seite sehen wir die SOZ und Brics, deren Mitglieder Länder sind, die auf Macht und Gewaltherrschaft fokussiert sind. Daher bleibt es derzeit ein Rätsel, wie Staaten, die diesen beiden Gruppen unvereinbarer Systeme angehören, ihre Forderungen nach Mitgliedschaft in den regionalen oder globalen Vereinigungen des jeweils anderen Systems werden umsetzen können.“