US-Wahl: Ist Trump ein Faschist?
Im Rahmen einer CNN-Bürgersprechstunde am Mittwoch hat Kamala Harris bejaht, dass sie ihren Konkurrenten um die US-Präsidentschaft, Donald Trump, als Faschisten ansehe. Zuvor hatte Trumps Ex-Stabschef John Kelly der New York Times gesagt, Trump falle für ihn "unter die Definition eines Faschisten". Kommentatoren sehen reichlich Grund, Trumps Verhalten zu kritisieren, bei diesem Vorwurf mahnen sie aber eher Zurückhaltung an.
Nicht irgendein Kandidat
So gewinnt man keine unentschiedenen Wählerinnen und Wähler, meint Der Tagesspiegel:
„Trump ist nicht irgendein Präsidentschaftskandidat, sondern hat das Land bereits vier Jahre lang regiert. Nur wenige Amerikaner werden behaupten, dass ihr Land in der Zeit faschistisch war. Die Anhänger des Republikaners erinnern sich eher daran, dass Trump es war, der die Nato-Mitglieder zu höheren Verteidigungsausgaben gedrängt, China die Stirn geboten, die deutsche Energieabhängigkeit von Russland – Stichwort Nord Stream 2 – kritisiert hat. Das war in ihren Augen nicht faschistisch, sondern richtig. Außerdem waren die Güter des täglichen Lebens weitaus erschwinglicher, als sie es heute sind.“
Ein Narziss, aber kein Nazi
Der Vorwurf des Faschismus läuft bei Trump schon allein deshalb ins Leere, weil es ihm an Bildungsniveau mangelt, argumentiert Die Presse:
„Donald Trump folgt ... nicht einer übergeordneten Ideologie, sei es Faschismus, sei es Nationalsozialismus. Die Nazikeule trifft ihn schon deshalb nicht, weil er historisch schlicht zu ungebildet ist. Trotz mancher Allüren hat er bisher auch nicht am parlamentarischen System gerüttelt. Um es auf den Punkt zu bringen: Er ist vieles – ein Sexist, tief drinnen auch ein Rassist. Aber er ist kein Nazi, allenfalls ein extremer Narziss mit faschistoiden Zügen und einem Faible für starke Männer.“
Für US-Amerikaner ist Faschismus weit weg
The Economist kann faschistische Züge erkennen, glaubt aber nicht, dass Harris mit dieser Parallele punkten kann:
„Trumps Maga-Nostalgie [Make America Great Again] erinnert an die Dolchstoßlegende der Nazis, nach der Deutschland im Ersten Weltkrieg von seinen Eliten verraten wurde. Sein hypermaskuliner Personenkult, seine unheilvollen Tiraden und seine Behauptung 'ich allein kann alles richten', stehen in faschistischer Tradition. Ebenso wie seine Instrumentalisierung von Rassismus gegen Muslime und lateinamerikanische Migranten, seine Vorliebe für groteske Unwahrheiten (wie die 'großen Lügen', die faschistische Propagandisten so lieben) und seine Bestärkung von Verschwörungstheorien. ... Aber für viele Amerikaner ist Faschismus einfach nur untrennbar mit Adolf Hitler verbunden.“
Trumps Ideologie ist Trump
Helsingin Sanomat findet Warnungen vor Trump berechtigt, die Faschismus-Diskussion aber nicht zielführend:
„Es ist reine Zeitverschwendung aufzuzählen, wie viele Aspekte der faschistischen Ideologie Trumps Autoritarismus enthält. Das Etikett des Faschismus ist so abgenutzt, dass es schwierig ist, es als analytische Definition zu verwenden. … Der Kern von Trumps Ideologie ist in jedem Fall Trump selbst. Zu der Art von systematischer Behinderung, mit der Viktor Orbán die ungarische Demokratie erstickt hat, wäre Trump wohl kaum fähig. Das soll nicht heißen, dass eine mögliche zweite Amtszeit Trumps nicht große Risiken birgt. Wenn der US-Präsident das Prinzip der Demokratie nicht respektiert, wird dies der Demokratie in der ganzen Welt Schaden zufügen.“
Eine Reaktion auf schlechte Zahlen
Diese Erklärung hat Mandiner für Harris' Warnung:
„Kamala Harris, die seit knapp einem Monat mit tendenziell rückläufigen Umfragewerten konfrontiert ist, hat ihre Rhetorik weiter eskaliert. ... Während sich Harris' Zahlen verschlechtern, versucht sie immer weniger, auf einer fachpolitischen Grundlage zu debattieren, und hofft stattdessen, dass sie einen Teil der gemäßigten Republikaner und unentschlossene Wähler überzeugen kann, indem sie Trump als eine Bedrohung für die Demokratie als Ganzes darstellt.“