Kahlschlag bei Volkswagen: Was läuft schief?
VW will nach Angaben seines Betriebsrats in Deutschland mindestens drei Werke schließen und zehntausende Arbeitsplätze abbauen. Der Autokonzern bestätigte diese Pläne bisher nicht, spricht aber von einer “ernsten Lage” und meldete am Mittwoch einen massiven Gewinneinbruch von 64 Prozent im dritten Quartal 2024. Die Presse analysiert die Ursachen der Krise in Deutschlands wichtigster Industriebranche.
Alarmzeichen konsequent ignoriert
Zu lange wurden maßvoll dosierte Reformen vertagt, meint die Kleine Zeitung:
„Aufgrund der Eigentumsverhältnisse, zweitgrößter Aktionär ist das Land Niedersachsen, war VW schon immer ein Knotenpunkt politischer Verästelungen. … Der Umstand, dass jetzt so massive Einschnitte bevorstehen, ist auch darauf zurückzuführen, dass Alarmzeichen (Kostenentwicklungen, Margenschwäche, Investitionsdruck) konsequent negiert wurden. Jene Vorstände, die das Lied des nötigen Strukturwandels zu inbrünstig anstimmten, hatten in aller Regel recht zügig ein Ablaufdatum. Wer selbst dosierte Eingriffe konsequent als unnötig klassifiziert – und das über Jahre –, der wacht mit jener Rosskur auf, die nun bevorstehen dürfte. Ein 'Weiter so' ist nun schlicht nicht mehr möglich.“
Endlich die Kosten senken
Die Krise bei VW gibt einen Vorgeschmack darauf, was dem Autoland Deutschland insgesamt bevorsteht, befürchtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung:
„Nicht nur VW, auch BMW und Mercedes bekommen zu spüren, dass die Gewinne aus China ausbleiben, weil dort lokale Rivalen in der E-Mobilität enteilt sind. In Europa belasten hohe Energie- und Arbeitskosten, vom Chaos um den Verbrenner-Ausstieg ganz zu schweigen. Es wäre verkürzt, den Unternehmen vorzuwerfen, sie hätten die Transformation verschlafen. Aber dass die Branche nun unisono nach staatlicher Unterstützung ruft, klingt wie Hohn. Kaufanreize für E-Autos können kurzfristig die schwache Nachfrage verbessern. Aber wichtiger ist, dass VW und Co. endlich ihre Kosten senken, um Anschluss an den globalen Wettbewerb zu finden.“
VW zahlt den Preis für verfehlte Klimapolitik
Die Krise der deutschen Autoindustrie ist auf falsche Hoffnungen zurückzuführen, glaubt The Spectator:
„Die Herstellung von Autos erfordert viel Energie und es ist für Deutschland unmöglich, wettbewerbsfähig zu bleiben, wenn der Strom teurer ist als in den USA, am Golf oder in Asien. ... Die ernüchternde Wahrheit ist: Europa hat den ökologischen Wandel völlig falsch gehandhabt, indem es seine industrielle Basis ignoriert hat und selbstgefällig davon ausgegangen ist, dass 'gut bezahlte grüne Arbeitsplätze' auf wundersame Weise alle Arbeitsplätze ersetzen würden, die in der traditionellen Fertigung verloren gehen. Einer der größten Arbeitgeber in Europas größter Volkswirtschaft zahlt nun den Preis dafür. Bedauerlicherweise wird VW damit nicht der letzte sein.“
Mit teuren SUV auf dem Holzweg
Deutschlands Autobauer haben aufs falsche Pferd gesetzt, meint der Rumänische Dienst der Deutschen Welle:
„Deutschlands Erfolgsrezept im Automobilbereich sind teure Premium-Modelle, die hohe Gewinnspannen erwirtschaftet haben. Gut drei Viertel dieser Autos wurde exportiert, fast jedes fünfte ging nach China. … Analysten kritisieren die zu große Abhängigkeit von China und warnen, dass das sogenannte Premium-Segment, zu dem Geländewagen, SUVs und Sportwagen gehören, die schon in der Grundausstattung über 100.000 Euro kosten, um mindestens neun Prozent zurückgehen wird. Die deutschen Autobauer haben inzwischen erkannt, wie stark die chinesische Konkurrenz in den vergangenen Jahren geworden ist – sowohl im Bereich der E-Autos als auch in der Premium-Klasse.“
China souverän auf der Überholspur
Die Stärke der chinesischen Autohersteller ist das größte Problem für die europäischen Konzerne, so Financial Times:
„Im vergangenen Jahr hat China Japan als weltweit größten Exporteur von Neuwagen abgelöst. ... Chinesische Hersteller wie BYD, Nio, der MG-Eigentümer SAIC, Great Wall und Chery bauen fortschrittlichere Elektroautos, die 30 Prozent weniger kosten als die der europäischen Autohersteller. ... In chinesischen Autohäusern nähern sich die Preise für Elektrofahrzeuge denen von Benzinern an. ... Der Aufstieg einheimischer chinesischer Marken hat wiederum den Absatz europäischer, US-amerikanischer und japanischer Autohersteller in China, das in den letzten Jahren der größte und lukrativste Markt für Marken wie Volkswagen, Mercedes-Benz und BMW war, stark reduziert.“