Grünes Licht für die neue EU-Kommission
Das Europäische Parlament hat der zweiten EU-Kommission unter Vorsitz von Ursula von der Leyen seine Zustimmung gegeben. Bei 282 Gegenstimmen votierten 370 Abgeordnete für das in einem komplexen Auswahlverfahren zwischen nationalen Regierungen, Parlament und Kommissionschefin formierte Gremium aus 26 Kommissaren. "Von der Leyen II" kann nun am Sonntag seine Arbeit aufnehmen.
Europas letztes Aufgebot
Ursula von der Leyen steht vor kolossalen Herausforderungen, meint Die Presse:
„Man kann ihr nur viel Erfolg wünschen. Denn diese Kommission ist eine der letzten Chance. Glückt es ihr nicht, die Versprechen von mehr wirtschaftlicher Dynamik, sicherheitspolitischer Wehrhaftigkeit und klimapolitischer Gerechtigkeit zu erfüllen, droht die Europawahl 2029 ein Gemetzel für das Einigungsprojekt zu werden. Europas Abstieg zu einem Disneyland seiner eigenen verblühten Grandesse wäre dann kaum aufhaltbar. Hat diese Truppe das Zeug, 'eine Zukunft der Freiheit für Europa' zu gestalten, indem sie für mehr Sicherheit und Wohlstand sorgt? ... Wollen die nationalen Regierungen eine starke EU? An dieser Frage entscheidet sich Europas Zukunft.“
Eins zu null für Italien
Die Brandmauer hat sich nach rechts verschoben, beobachtet La Vanguardia:
„Es war ein totaler Triumph für die italienische Ministerpräsidentin, die trotz ihrer früheren Manöver gegen von der Leyen nun zu einer ihrer wichtigsten Verbündeten geworden ist. ... Pedro Sánchez, der sich die Brandmauer gegen die extreme Rechte auf die Fahnen geschrieben hatte, musste mitansehen, wie seine Abgeordneten für Fitto stimmten. Der Ausgleich war, dass Teresa Ribera Vizepräsidentin wird. ... Ausgeschlossen sind lediglich die Mitglieder der Patrioten für Europa, in der sich Anhänger von Viktor Orbán, Marine Le Pen und Santiago Abascal zusammengeschlossen haben. Melonis Konservatismus wird zur Grenzlinie des neuen europäischen Maßstabs.“
Schamloses Paktieren mit dem extremen Rand
Le Soir ist insbesondere auf die konservative EVP übel zu sprechen:
„Zwar sind alle drei Gruppen der Koalition verantwortlich für niederträchtige Feilschereien und das verheerende Image, das in den vergangenen Wochen verbreitet wurde, doch die Erbsünde wurde von der EVP begangen, die schamlos mit der extremen Rechten paktiert hat. Manfred Weber und Ursula von der Leyen haben, indem sie Giorgia Meloni ein weiteres Sprungbrett zur Macht anboten, an der Normalisierung einer extremistischen Partei mitgewirkt und einen gefährlichen Präzedenzfall geschaffen. Dieser dürfte sich absehbar wiederholen, da der Vorsitzende der EVP 'seine' Mehrheit als einen Bogen 'von den Grünen bis zur [rechten und EU-kritischen] EKR' definiert.“
So rechts wie noch nie
Das Parlament nimmt seine Rolle als demokratische Kontrollinstanz nicht mehr wahr, kritisiert die taz:
„Die Abgeordneten haben in den Anhörungen keinen einzigen Kommissar durchfallen lassen, obwohl viele nur Sprechzettel abgelesen haben. Das gab's noch nie. Unerhört ist auch, dass Fitto als Teil einer 'Paketlösung' durchgewinkt wurde. Einige Parlamentarier sind zwar ausgeschert, so haben die deutschen SPD-Abgeordneten nicht für die neue Kommission gestimmt, auch einzelne Grüne haben sich enthalten. Doch die Grünen-Spitze ist umgekippt und hat 'Ja' gesagt. Nun hat sie ein Glaubwürdigkeitsproblem. Denn die neue Kommission steht nicht nur für den Rechtsruck in Europa, sondern auch für eine weichere, industriefreundliche Klimapolitik und einen harten Kurs bei der Migration.“
Baltikum besetzt Schlüsselpositionen
Postimees freut sich über die Besetzung der neuen EU-Kommission:
„Es ist zu erwarten, dass die Kommission die baltischen Staaten nicht verscherbeln wird, denn die Balten nehmen wichtige Schlüsselpositionen ein. Andrius Kubilius aus Litauen ist der Kommissar für Verteidigung und Raumfahrt, der bereits das europäische Verteidigungsweißbuch ausarbeitet. Valdis Dombrovskis aus Lettland ist der Kommissar für Wirtschaft und Produktivität und Kaja Kallas aus Estland ist als Vizepräsidentin der Europäischen Kommission die Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik. ... Unsere Region ist also sehr stark in der Kommission vertreten.“