Schengen: Rumänien und Bulgarien vor Vollbeitritt
Für Rumänien und Bulgarien bringt das neue Jahr die Vollmitgliedschaft im Schengenraum. Österreich gab seinen Widerstand auf und die EU-Innenminister machten am heutigen Donnerstag den Weg für beide Länder frei. Bislang gab es für sie die Reisefreiheit in der EU ohne Kontrollen nur per Flugzeug. Kommentatoren debattieren, wie bedeutend dieser Schritt ist.
Wichtiges Signal an die Adresse Russlands
Die Kleine Zeitung begrüßt die Erweiterung:
„Dass Rumänien und Bulgarien mit Jahresbeginn vollständig Teil des Schengenraumes sind, ist nicht nur für die Bevölkerung, die sich nun deutlich einfacher innerhalb der EU bewegen kann, ein wichtiger Schritt. Die Aufnahme bindet die Region zusätzlich an die Europäische Union, was angesichts des wachsenden Einflussinteresses von Russland und China ein wichtiges Signal ist. Ein anschauliches Beispiel dafür lieferte zuletzt die von Russland offenbar beeinflusste und nun aufgehobene Präsidentschaftswahl in Rumänien.“
Ein Druckmittel weniger
Der Wegfall der Landgrenzen hat auch eine weniger günstige Seite für Bulgarien, warnt Club Z:
„Der Hauptnutzen unserer EU-Mitgliedschaft sind nicht so sehr die EU-Gelder und die Reisefreiheit, sondern dass die EU uns hilft, ein echter europäischer Rechtstaat zu werden. Der Schengen-Beitritt war eines der letzten verbliebenen Instrumente, mit denen die EU uns in dieser Richtung hat beeinflussen können. Denn Bulgarien ist noch kein echter europäischer Rechtstaat, sondern schwankt zwischen seiner glänzenden europäischen Fassade und einem unaufrichtigen eurasischen Wesen.“
Freier Grenzverkehr mit Engstellen
Ganz offen werden Bulgariens Grenzen auch nach dem Schengenbeitritt nicht sein, erklärt Sega:
„Nach dem zu urteilen, was bisher bekannt ist, wird es eine starke Lockerung des Grenzübertritts von und nach Griechenland geben. Das ist keine Kleinigkeit, wenn man bedenkt, dass die Bulgaren jährlich etwa zwei Millionen Reisen nach Griechenland unternehmen. ... An der anderen EU-Binnengrenze, der zu Rumänien, sieht es jedoch anders aus. Nach dem, was aus den Verhandlungen bekannt ist, wird es einen mindestens sechsmonatigen Zeitraum geben, in dem die Grenzkontrollen aufrechterhalten werden. ... Offenbar wollen die Österreicher eine zweite Engstelle neben der bulgarisch-türkischen Grenze, auch wenn sie das nicht so offen sagen.“
Ein leer gewordenes Versprechen
Die Salzburger Nachrichten werfen die Frage auf, wofür der Schengenraum noch steht:
„Innenminister Gerhard Karner hat rund zwei Jahre lang den Schengenraum als 'kaputt' oder gar 'tot' bezeichnet. Immer dann, wenn er rechtfertigen musste, warum Österreich den Beitritt Rumäniens und Bulgariens blockiert. Obwohl die Länder längst die geforderten Kriterien erfüllten. ... Mit dem Zuwachs ist der Schengenraum nicht von den Toten auferstanden, um in Karners Sprachbild zu bleiben. Noch immer führt eine ganze Reihe Mitgliedsstaaten Kontrollen an den EU-Binnengrenzen durch. Noch immer mangelt es an Bereitschaft, die Lasten der Asyl- und Migrationspolitik gerecht zu verteilen. Noch immer funktioniert der Außengrenzschutz nicht so, wie er sollte.“
Schengen könnte sich noch sehr verändern
444.hu sieht die Zukunft des Raumes als ungewiss an:
„Eine andere Frage ist, was für einem Schengen-System sich Rumänien anschließen wird. Aufgrund der Flüchtlingskrise führen immmer mehr Länder Grenzkontrollen ein. Deutschland beschloss dies im Herbst aufgrund von Kriminalitätsfällen bei Einwanderern und des Aufstiegs der Rechtsradikalen, Norwegen aufgrund der Terrorgefahr, die Niederlande aufgrund der zunehmenden illegalen Einwanderung. ... Niemand kann etwas darüber sagen, wie der Schengen-Raum aussehen wird, wenn Rumänien und Bulgarien beitreten.“