Ukraine: Stehen die Zeichen auf Verhandlungen?
Im Verteidigungskrieg gegen die russische Invasion musste die Ukraine 2024 Rückschläge hinnehmen. Weder die im August begonnene Kursk-Offensive noch die lang erwartete Erlaubnis, mit importieren Waffen militärische Ziele in Russland angreifen zu können, brachten den in Kyjiw erhofften Durchbruch. Nervös schaut die Welt nun darauf, ob Trump als künftiger US-Präsident die Beteiligten zu Verhandlungen zwingen kann und wozu diese führen könnten.
Westen lässt Kyjiw hängen
Postimees resümiert:
„Im vergangenen Jahr hat sich der Westen einen halben Schritt von der Ukraine entfernt. Es geht nicht mehr darum, wie man der Ukraine zum Sieg verhelfen kann, sondern darum, wie man einen möglichst günstigen Waffenstillstand schließen kann. Jeder Waffenstillstand wird auch die Innenpolitik der Ukraine erheblich verändern und Russland neue Einflussmöglichkeiten eröffnen. ... Russland rüstet auf und baut seine Streitkräfte aus, wie wir in diesem Jahr in offiziellen Geheimdienstberichten lesen konnten. Noch ist es nicht hoffnungslos schlecht um die Ukraine bestellt, aber im Jahr 2024 bewegen wir uns leider in die falsche Richtung. Der Kreml hat sich auch durch die Ansagen des designierten US-Präsidenten Donald Trump ermutigt gefühlt und den Krieg eskaliert.“
Machtverhältnisse richtig analysieren
Viel hängt jetzt von Washington ab, analysiert Russland-Experte Oscar Jonsson in Dagens Nyheter:
„Entscheidet sich Trump dazu, die Ukraine vor den Verhandlungen zu stärken, würde er die Wahrscheinlichkeit einer nachhaltigen Einigung erhöhen. Den Medienberichten zufolge ähneln die bevorstehenden Verhandlungen aber eher einer Kapitulation. Wenn die Trump-Regierung eine vernünftige Analyse der Machtverhältnisse vornimmt und ihre Verhandlungskarten richtig ausspielt, kann sie einen erneuten Krieg in ein oder zwei Jahren vermeiden. Wenn sie stattdessen eine schlechte Lösung ohne Sicherheitsgarantien durchsetzt, deutet alles auf eine kurze Pause in einem seit 2014 andauernden Krieg hin.“
Kriegsmüdigkeit wird zum Problem
Wie sich die Stimmung in der Ukraine verändert hat, betrachtet Politologie Wolodymyr Fessenko in einem Beitrag auf Facebook:
„Wohl zum ersten Mal während der groß angelegten russischen Invasion haben sich zwei eindeutig gegensätzliche Lager in Bezug auf das Dilemma der Wahl zwischen Krieg und Frieden gebildet. Fasst man die Ergebnisse verschiedener soziologischer Umfragen zusammen, dann steht etwa ein Drittel der Ukrainer jeglichen Vereinbarungen mit Russland zur Beendigung des Krieges äußerst ablehnend gegenüber. Aber ungefähr ein Drittel der Ukrainer vertritt den gegenteiligen Standpunkt – man ist bereit, einem Kriegsende sogar durch territoriale Zugeständnisse zuzustimmen.“
Putin braucht den Krieg als Dauerzustand
Politologe Wladimir Pastuchow sieht in einem von Echo übernommenen Telegram-Post auf russischer Seite keinerlei Interesse, den Krieg 2025 zu beenden:
„Putin hat diesen Krieg nicht begonnen, um ihn aus freien Stücken zu beenden. ... Putin braucht den Krieg als Zustand, nicht als Prozess. Jedenfalls war das Ziel des Krieges für ihn nie die Eroberung ukrainischen Territoriums. Sein Ziel war von Anfang an, dem Westen auf dem Territorium der Ukraine eine strategische Niederlage beizubringen. Ein solches Ziel impliziert keine zeitliche oder räumliche Begrenzung des Krieges. Daher gibt es in der gesamten Ukraine keine Linie, bei deren Erreichen Putin sagen könnte, dass die Kriegsziele erreicht sind. Dieser Krieg wird ins Unendliche geführt.“
Slowakei kann keine Brücke sein
Dass der slowakische Premier Robert Fico kurz vor Weihnachten überraschend Putin besuchte und Bratislava als Ort für Friedensverhandlungen anbot, hält Aktuality.sk für einen Fehler:
„Tatsächlich ist unsere außenpolitische Bindung an den Westen klar gesetzlich verankert, die Mitgliedschaft in der Nato und der EU steht auch im verbindlichen Programm der Regierung. Wer in der Nato ist, kann nicht neutral sein. Fico begeht hier Verrat. ... Es gab bereits einmal die Idee der Neutralität der Tschechoslowakei als Brücke zwischen Ost und West. Es war die Reaktion von Präsident Edvard Beneš auf den Verrat von München [1938] durch die Alliierten, als er die Sicherheit des Landes im Zweiten Weltkrieg sowohl von Westen als auch von Osten her gewährleisten wollte. ... Die Russen nutzten später diese Verträge beim kommunistischen Putsch 1948 und beim Einmarsch sowjetischer Truppen 1968.“
Waffenstillstand führt nicht immer zu Frieden
Correio da Manhã befürchtet eine Signalwirkung, sollten künftige Verhandlungen falsch geführt werden:
„Die Welt bleibt Geisel der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten. ... Heute geht es darum, ob das Völkerrecht noch zählt. Was mit diesen Konflikten geschieht, wird die Zukunft bestimmen. Wenn das Recht missachtet werden kann und sich Aggression auszahlt, werden weitere Autokraten das Experiment wiederholen. Das nächste Jahr könnte das Jahr der Verhandlungen werden. Aber es werden nur dann wirklich Friedensverhandlungen sein, wenn sie unter Beachtung der internationalen Normen geführt werden, die die Sicherheit aller garantieren.“