Was bedeuten die anhaltenden Proteste in Serbien?
Die Studentenproteste in Serbien dauern unvermindert an: Am Wochenende blockierten Demonstranten eine Brücke, weitere Aktionen sind geplant und Rentner gingen zur Unterstützung der Studierenden auf die Straße. Kommentatoren erklären, warum der Zorn inzwischen weit über den Protest auslösenden tödlichen Dacheinsturz am Bahnhof von Novi Sad hinausgeht.
Ungewisse Zukunft
Sicher ist nur, dass die serbische Gesellschaft genug von den derzeit regierenden Politikern hat, meint Új Szó:
„Die endgültigen politischen Folgen sind noch nicht abzusehen. Die Zugeständnisse und 'Opfer' von Vučić (einschließlich des Rücktritts des Premiers) haben offensichtlich nicht ausgereicht. Die Menschen wollen, dass die despotischen, erstickenden Verhältnisse verschwinden – und danach ein würdigeres und besseres Leben. Die Opposition befindet sich – sozusagen traditionell – im Zustand der Zerrissenheit, aber die Demonstranten wollen ohnehin keine Politiker mehr sehen.“
Das alte Rezept funktioniert nicht mehr
Die Unzufriedenheit wächst nicht nur in Serbien, meint Népszava:
„Das Belgrader Regime hat schnell den Schuldigen für die Rebellion gefunden: Es hat betont, dass Kroatien hinter der Studentenbewegung stehe. ... Diese Strategie, die Opposition mit einer ausländischen Kraft zu verschmelzen, hat sich in der Geschichte meist als erfolgreich erwiesen. Die Mischung aus Nationalismus und Angstmacherei ist eine wirksame Waffe. Doch jetzt funktioniert das erprobte Rezept nicht mehr. Der serbische Präsident Aleksandar Vučić ist ständig in die Defensive gezwungen, immer mehr Menschen demonstrieren in der Slowakei gegen Fico, und bei uns [in Ungarn] befassen sich die Menschen mehr mit der unvertuschbaren Dysfunktion des Staates als mit irgendwelchen Fantastereien über ausländische Einmischung.“
Schweigen der EU zeugt von Kleinmut
Wirtschaftliche Interessen sind Brüssel im Falle Serbiens offenbar wichtiger als Demokratie und Menschenrechte, rügt Financial Times:
„Das Schweigen der EU-Staats- und Regierungschefs zu den Protesten ist auffällig. Liegt das daran, dass die Union im vergangenen Jahr ein Abkommen mit Präsident Vučić unterzeichnet hat, das die Nutzung von Lithium aus Serbien für die Batterien von Elektrofahrzeugen vorsieht? Viele lehnen das Abkommen aus Umweltschutzgründen ab. Zu denen, die sich für die protestierenden Studenten stark gemacht haben, gehören der in Serbien geborene Tennisstar Novak Djokovic und US-Sängerin Madonna. Es scheint kleinmütig von der EU, nicht mitzuziehen, wenn sie vorgibt, in der Ukraine genau die Werte zu verteidigen, die junge Serben in ihrem Land hochhalten wollen.“