Hoffnung auf Frieden für Zypern
Mustafa Akıncı hat am Sonntag die Präsidentschaftswahl in der international nicht anerkannten Türkischen Republik Nordzypern gewonnen. Er gilt als Verfechter eines Dialogs mit den griechischen Zyprern. Genau deshalb wurde er gewählt, analysieren Kommentatoren. Sie glauben, dass Nordzypern die Bevormundung durch die Türkei satt hat, und prophezeien Akıncı starken Gegenwind aus Ankara.
Nordzypern würde Widerstand gegen Türkei wagen
Am Tag nach seiner Wahl hat Mustafa Akıncı sein Ziel bekräftigt, die Abhängigkeit Nordzyperns von der Türkei zu reduzieren. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan warnte seinerseits davor, eine Lösung der Zypern-Frage "um jeden Preis" anzustreben. Erdoğan sieht seinen Einfluss in Nordzypern schwinden, analysiert die liberale Internetzeitung Radikal: "Die Türken Zyperns haben es satt, dass sich die Türkei in letzter Zeit immer mehr in ihre Politik einmischt und versucht, die Gesellschaft dort zu formen. Sie haben sich für ein Nordzypern entscheiden, das seine Identität bewahrt anstatt ein Kind der Türkei zu sein. Akıncı hat dies am besten verstanden, deshalb wurde er gewählt. ... Die Friedensverhandlungen gewinnen für die türkischen Zyprer mit Akıncıs reformistischem Ansatz wieder an Bedeutung. … Und es sieht ganz danach aus, dass der türkische Teil Zyperns entschlossen ist, einen Friedensprozess nicht nur trotz der Haltung der Türkei zu erleben, sondern notfalls sogar durch den entsprechenden Druck auf die Türkei."
Das letzte Wort hat Ankara
Vor zu hohen Erwartungen warnt nach der Wahl von Mustafa Akıncı die liberale Tageszeitung Phileleftheros: "Es wäre schön, wenn eine Lösung nur vom Willen der Zyperngriechen und der Zyperntürken abhängig wäre. Denn der Wille ist da. Beide Seiten wollen unbedingt die Lösung, damit wir von dieser schweren Last befreit werden, die uns dazu zwingt, mit Besatzungstruppen und Siedlern zu leben. … Ginge es allein um unseren Willen, wäre die Lösung eine Frage von Stunden. ... Auch wenn wir uns nicht sehen, wollen wir doch dasselbe. Die Frage ist jedoch, was die anderen für uns wollen. Es scheint höchst unwahrscheinlich, dass ein zyperntürkischer Führer - so progressiv und patriotisch er auch sein mag - eine Lösung gegen den Willen der Besatzungsmacht unterschreiben kann."
Wiedervereinigung der Insel ist möglich
Der Wahlausgang in Nordzypern eröffnet der seit 41 Jahren geteilten Insel unerwartet neue Chancen, glaubt die linksliberale Süddeutsche Zeitung: "Auf einmal stehen zu beiden Seiten der Demarkationslinie Politiker an der Spitze, die sagen, dass sie dasselbe wollen: die alten Gräben überwinden, die Wiedervereinigung der Insel. Mit dem linksliberalen Mustafa Akıncı haben die türkischen Zyprer jetzt einen Mann gewählt, der die Linie der Versöhnung glaubhaft vertreten kann. Und der Präsident der Zypern-Griechen, Nikos Anastasiadis, spricht ebenfalls unverdrossen von einem 'gemeinsamen Vaterland'. ... Allerdings kam es in der Geschichte Zyperns nie allein auf die Zyprer an. Wenn nicht die Türkei über ihren Schatten springt, kann auch Akıncı den Frieden auf der Insel nicht erzwingen. Zudem sollte die EU Anastasiadis nun unterstützen, schließlich würde eine Wiedervereinigung wohl auch neue finanzielle Opfer von dem EU-Krisenstaat fordern."