Chinas Börsen lösen weltweiten Kursrutsch aus
Weltweit sind die Börsenkurse am Montag aus Angst vor einem Konjunktureinbruch in China kräftig gefallen. Zuvor hatten Chinas Handelsplätze den größten Kurssturz seit acht Jahren erlebt. Nur durch eine Stärkung der Kaufkraft kann eine weltweite Wirtschaftskrise verhindert werden, meinen einige Kommentatoren. Andere fordern die Notenbanker auf, die Gelddruckmaschinen anzuwerfen, um Wachstum zu erzeugen.
Ohne gerechte Verteilung kein Wachstum
Nach dem weltweiten Kurseinbruch fordert die linksliberale Tageszeitung Libération eine nachhaltigere und gerechtere Politik für die Weltwirtschaft: "Das Risiko steckt im seit dreißig Jahren herrschenden Trend der Ungleichheit, der die Umverteilung von Produktivitätszuwächsen hemmt. … Seit bald einer Generation stagniert die Kaufkraft der Völker, die der Oberschichten hingegen explodiert. Und wie Henry Ford (der kein Linker war) sagte: Wenn man seine Arbeiter schlecht bezahlt, kaufen sie keine Autos. So großzügig die Milliardäre auch sein mögen, allein können sie das Weltwachstum nicht stimulieren. Gebremst wird es vor allem durch die Einkommenskluft. So lange die Führungsverantwortlichen auf der Welt dies nicht wahrnehmen, werden Wirtschaftsstagnation und Arbeitslosigkeit andauern."
Spekulanten nicht das Feld überlassen
Die Politik muss den Spekulanten wieder das Zepter aus der Hand nehmen, schließt die katholische Tageszeitung Avvenire aus dem von China ausgehenden weltweiten Börsensturz: "Die Botschaft, die uns angesichts der chinesischen Turbulenzen ereilt, ist, dass das Finanzwesen heute die einzig wahre Weltmacht ist. Wir dürfen es nicht ignorieren oder den Experten überlassen. Große Spekulationsblasen drohen im neuen Finanzkapitalismus von der Ausnahme zur Regel zu werden. ... Solange unsere Wirtschaften einen Wohlstand erzeugen, der von unserer Arbeitswelt abgekoppelt ist, ist es wahrscheinlich, dass heute die chinesische und morgen eine andere gigantische Finanzblase in wenigen Tagen diesen Pseudoreichtum zerstört. ... Um solch traurige Szenarien zu vermeiden, muss die Politik wieder an erste Stelle treten, auf lokaler wie auch auf globaler Ebene."
Notenbanken müssen mehr Geld drucken
Der jüngste Einbruch an den internationalen Börsen hat damit zu tun, dass die Notenbanken inmitten der Schuldenkrise nicht genug Geld drucken, meint der Ökonom Csaba Szabó auf dem Meinungsportal Mandiner: "Im gegenwärtigen Finanzsystem wird Wachstum durch Schulden generiert. Es ist immer mehr Geld notwendig, damit die Wirtschaft wächst. Indes können die Schulden nicht unendlich wachsen. Derzeit sind wir an einem Punkt angelangt, an dem bereits alle maximal verschuldet sind. Die Notenbanken müssen immer wieder von Neuem Geld drucken, um einen Zusammenbruch des Systems zu vermeiden. Gegenwärtig haben wir es damit zu tun, dass das Geld, das bislang gedruckt wurde, sich als zu wenig erwiesen hat. Aus diesem Grund ist es notwendig, dass die Notenbanken weiter drucken, um einen Kollaps zu verhindern."
Kommunistische Doppelstrategie irritiert Anleger
Die Investoren sind nicht zuletzt deswegen in Panik geraten, weil sie nicht wissen, mit was für einem System sie es eigentlich zu tun haben, wenn sie sich in China engagieren, analysiert das linksliberale Nachrichtenmagazin Polityka in seiner Onlineausgabe: "Die Regierung hat zwar jahrelang immer wieder die Stärke ihres Wirtschaftsmodells betont, in dem der freie Markt den Chinesen Wohlstand ermöglicht. Doch gleichzeitig hat sie den Markt einer besonderen Kontrolle unterworfen, welche die chinesische Wirtschaft vor den negativen Auswirkungen der Konjunkturzyklen schützen soll. Das heißt, die Partei gibt die Ziele vor und legt die Größe des Wirtschaftswachstums fest, wobei sie diese Vorgaben bei Bedarf entsprechend aktueller Entwicklungen anpasst. Auf diese Weise sollte Chinas Konjunktur nie abkühlen, gegen Verluste gewappnet sein und in einem bestimmten Tempo wachsen. Jetzt sehen wir aber, dass diese Strategie überhaupt nicht aufgeht."
Gefahr für hochverschuldete EU-Länder
Chinas Wirtschaftsabschwung kann hoch verschuldeten EU-Ländern zum Verhängnis werden, warnt die wirtschaftsliberale Tageszeitung Jornal de Negócios: "Ein Szenario der Deflation - ausgelöst durch eine starke Konjunkturabschwächung und eine Abwertung des Yuan - würde vor allem die höchstverschuldeten Länder treffen. Aber auch diejenigen, die am stärksten (wie Portugal) von chinesischen Investitionen oder Rohstoffen wie Öl abhängig sind. ... Eine Krise in China kann also durchaus die Lage in Griechenland oder Portugal beeinflussen, möglicherweise auch die Italiens und Frankreichs. Im Fall Portugal treffen alle diese Punkte zu: Wir sind immer noch sehr hoch verschuldet, vor allem die Unternehmen. Zudem ist der Anteil an chinesischen Direktinvestitionen besonders groß. ... Und damit liegt auch die wirtschaftliche Erholung Portugals in den Händen der Regierung in Peking."